Als verkündet wurde, dass Macron mit sehr deutlicher Mehrheit die Stichwahl für sich entscheiden konnte, war ich wirklich sehr erleichtert und glücklich. Der jüngste Präsident Frankreichs, ein Reformer, ein Verfechter der europäischen Idee und einer, der etwas bewegen will. Für mich war Freude ein selbstverständlicher Gemütszustand. Denn irgendwie steht er doch für all das, was es in Europa gerade mangelt. Besonders der Wille zur Veränderung, zur Erneuerung. Entgegen einer Frau, die für Rückschritt, für Ressentiments und für das Heraufbeschwören negativster Emotionen gesorgt hätte.
Umso erstaunter war ich, als ich dann viele Kommentare und Statements lesen musste, in denen Macron und Le Pen doch irgendwie auf eine Stufe gestellt wurden. Es hieß, man hätte lediglich die Wahl zwischen Pest und Cholera gehabt. Ein großes Übel (Le Pen) gegen ein etwas kleineres Übel (Macron). Nicht allein, dass es viele Kandidaten gab, stellte ich mir die Frage, wie es sein kann, dass man jemanden wie Macron, der bislang keinen Hass geschürt hat und nicht negativ aufgefallen ist, ein recht unbeschriebenes Blatt ist, auf eine Stufe stellen kann mit Le Pen, die nun schon jahrelang für ein nationalsozialistisches! Frankreich kämpft. Sie schürt Ängste und produziert Hass. Meine Ablehnung und die Ablehnung vieler anderer ihr gegenüber ist nicht über Nacht gekommen. Le Pen hat dafür lange und hart gearbeitet. Deswegen ist es so unfair wie unglaubwürdig Macron als fast gleichwertig schlimm darzustellen.
Die Antwort auf meine Frage wurde zumeist prompt mitgeliefert. Denn Macron war Bänker und er ist liberal. Somit wurde er wurde als Vertreter des Neoliberalismus ausgemacht, dem unter anderem Wagenknecht vorwirft, Le Pen erst zu ermöglicht zu haben. Dabei ist der Begriff trotz eigentlich bestehender Defintion oft so schwammig, dass er als Diskussionsgrundlage oftmals nicht mehr ernst zu nehmen ist. Denn er ist einfach schuld, Differenzierungen und andere Faktoren scheinen unnötig. Ich glaube, dass Wagenknecht in fataler Weise irrt. Nicht, dass sich die FDP unter Rösler und Westerwelle sich nicht lächerlich gemacht hätte. Aber das sollte bei der Beurteilung eines Macron eigentlich keine Rolle spielen. Doch leider ist dem nicht immer so. Aus Rösler mach Lindner, aus FDP mach Macron. Alles doch irgendwie das Gleiche. Und genau da hakt es.
So schwammig und ungenau wie Wagenknecht den Ursprung des Rechtspopulismus im Neoliberalismus (Egal, welches Land, welche Person etc.) erklärt, sehe ich eine große Gefahr. Macron verkörpert als liberaler Ex-Bänker genau das, was Wagenknecht und andere ablehnen. Er wird zum absoluten Feindbild erklärt. Plötzlich heißt es: „Willst du Le Pen verhindern, musst du Macron verhindern“. Ein absurder Gedanke. Macron ist alles, was Le Pen nicht ist und Le Pen ist alles, was Macron nicht ist. Die Gefahr ist nicht Macron, sondern das Feindbild, das man um ihn herum aufbaut. Nur weil jemand bei einer Bank gearbeitet hat, ist derjenige nicht gleich ein raffgieriger Mensch.
Eine viel schwierigere Aufgabe hatte wohl noch kein Präsident. Er muss viel verändern, viel bewegen und Frankreich wirtschaftlich, sozial und dadurch national wie international stärken. Verändert sich nichts zum Positiven, dann dürfte der Verdruss in Frankreich immer größer werden und damit den Nährboden für Le Pen bilden. Heißt also: Wenn Macron nun als neues Feindbild blockiert wird, dann stärkt das nationalistisches Gedankengut erst recht.
Rechtspopulimus und den Schritt zurück in der Geschichte kann man nur durch eine Sache verhindern. Zusammenarbeit. Feindbilder haben noch nie dazu geführt, dass andere Feindbilder geschwächt werden. Liberale, Linke, Sozialdemokraten, Konservative, wir alle brauchen einander. Wir sollten uns gegenseitig respektieren als Demokraten, die wir doch alle sind. Als Teile eines demokratischen Spektrums, das enorm an Wert verlieren würde, wenn nur eine dieser Richtungen nicht vertreten wäre. Lasst uns selbst nicht mit Feindbildern leben, wenn wir zugleich die Feindbilder der Rechten kritisieren. In der Einigkeit und der Zusammenarbeit liegt das Mittel gegen demagogische Kräfte.