Es geschieht schon wieder. Wir, die Europäische Gemeinschaft, lassen Italien im Stich. Italien liegt mit seinen vorgelagerten Inseln am nächsten an der Küste Lybiens, von wo die meisten Menschen den Weg über das Mittelmeer antreten. Vor der großen Flüchtlingsbewegung über die Landwege war das nicht anders. Nun sind die Wege über den Balkan geschlossen, was dafür sorgt, dass die meisten Menschen über die See kommen. Es scheint erneut allein Italiens Problem zu sein. Zumindest in den Gedanken der anderen Staaten Europas.
Immer mehr Menschen kommen auf Lampedusa an, Italien bittet um Hilfe, seit Jahren. Wir hören nicht hin. Was ich nicht so recht verstehen mag ist, dass von europäischer Solidarität die Rede ist. Das von allen Seiten. Gerade Deutschland hat viel darüber gesprochen und über mangelnde Solidarität geklagt. Was, die letzten zwei Jahre betreffend, auch richtig sein mag. Aber man darf dabei nicht aus den Augen verlieren, dass die Situation rund um die Flüchtlinge in Deutschland nicht geplante Solidarität war. Vielmehr hat man Flüchtlinge die langen Jahre vor 2015, in denen bereits viele Flüchtlinge in Italien landeten, aus dem deutschen Bewusstsein verdrängt. Schließlich gab es das Dublin-Abkommen, ein auf Papier geschriebener Anti-Solidarpakt.
Erst als man auf die Solidarität der Anderen angewiesen war, verwies man auf den Mangel eben dessen. Das finde ich falsch. Genauso falsch, wie Italien wiederholend mit der immer weiter wachsenden Anzahl ankommender Menschen allein zu lassen. Doch genau das passiert gerade. Statt sich der Aufgabe anzunehmen, werden Scheindiskussionen geführt über die NGO’s und über den de facto nicht möglichen Schutz der Außengrenzen. Nichts weiter als sehr oberflächliche Themen, die dem Thema Flucht nicht im Ansatz gerecht werden. Wir wissen, dass jeden Tag Menschen ankommen, deren Versorgung nicht allein italienische Aufgabe sein darf. Das ist der Fakt, das ist die Ausgangslage. Oberflächliches „Wie, Wo und Warum“ sind absolut fehl am Platz.
Allem Anschein nach sehen das die anderen Länder jedoch ebenso. „Hauptsache nicht zu unserem Problem machen.“, scheint das Motto zu sein. Wahlen gewinnt man damit nämlich nicht. Solange das so ist, kann man von Europa nicht als Wertegemeinschaft sprechen. Im Moment sind alle nur auf den unmittelbaren Nutzen aus. Dabei führen in einer echten Gemeinschaft kleine Opfer langfristig zu einem großen Nutzen, für jedes einzelne Mitglied einer solchen Gemeinschaft. Eine Wertegemeinschaft, die den Begriff der gegenseitigen Solidarität exkludiert ist alles, aber keine Wertegemeinschaft. Um in Zukunft bestehen zu können, muss Europa aber genau das werden, eine Wertegemeinschaft.