Viel wird dieser Tage über den Klimawandel diskutiert. Eine zweifelsfrei gute Sache. In Gesellschaft, Politik und im privaten Bereich ist dieses Thema omnipräsent. Man redet darüber, wie man lösen kann, was so unlösbar scheint. Über den Staat und über das eigene Wirken. Man rechtfertigt sich, man redet darüber, ob man Flugscham empfinde oder nicht. Wie man es mit dem eigenen Gewissen vereinbaren kann, wenn man fliegt. Schließlich ist Fliegen, da gibt es weithin einen Konsens, die klimaschädlichste Möglichkeit zu reisen.
Es gibt eine Unzahl an Implikationen und Einzelthemen in dieser Debatte. Von der rein faktischen Frage, was technisch entwickelt werden muss, der Diskussion über unser eigenes Verhalten und die Verteilung der Schuld bis hin zu gesellschaftlichen Veränderungen, die einige im Zuge der Debatte fordern. Jedoch will ich über eine Folge reden, die in der Diskussion unterzugehen scheint, allerdings von größter Sprengkraft ist.
Es ist die Frage der Moral. Rechtfertigungen sind in aller Munde. Fast jeder tut es, sich rechtfertigen. Klimaprotestler tun es, Arbeitskollegen, der Freundeskreis. Alle mit augenscheinlichem Klimabewusstsein sehen sich dazu gezwungen sich moralisch dafür zu rechtfertigen klimaunverträgliche Handlungen zu vollführen. Sei es fliegen, die Verwendung von Kunststoff oder sonst irgendetwas. Zwar geben alle vor sich der moralischen Problematik bewusst zu sein. Aber im gleichen Atemzug wird immer auch darauf verwiesen, was man im Gegenzug alles getan habe.
Beim Thema Fliegen, da spricht man von einer Kompensation. Man spendet Geld an eine Umwelt-Organisation und schon ist der Flug nahezu CO2-neutral. Ganz normale Menschen tun es, Luisa Neubauer gibt an all ihre Flüge zu kompensieren und auch Elton John hat verdutzt auf die Kritik reagiert, die geäußert wurde, als er Prinz Harry mit dem eigenen Privatjet abholen ließ. Schließlich seien auch diese Flüge kompensiert worden.
Kompensation ist in meinen Ohren ein zynischer Begriff. Ein Unrecht, wenn man Fliegen denn in diese Kategorie einordnen will (ich tue es nicht), kann nicht einfach Ungeschehen gemacht werden. Entweder man tut etwas oder man tut es nicht. Entweder man fliegt oder man fliegt nicht, entweder man macht Sport oder man tut es nicht. Da gibt es keine Grauzone, keine Annäherung, keine 80% Moral.
Nun gibt es aber jene, die Moral an so etwas wie Flügen messen, die in „gutes“ und „schlechtes“ Verhalten einteilen. Es sind jene, die davon reden, manchmal sogar damit hausieren gehen, dass man augenscheinlich natürlich ein ganz schlechtes Gewissen habe, aber, und das meist in vorgegebener Bescheidenheit, man zumindest den eigenen Teil anhand einer Kompensation reduziert habe. Man fliege ohnehin nur, wenn es auch notwendig wäre.
Ich halte das alles für abwegig und sogar gefährlich. Denn diese Art zu bewerten und zu moralisieren teilt unsere Gesellschaft auf. Gibt es nämlich viele Menschen, die sich einen Familienurlaub gerade einmal so leisten können. Und sonst womöglich gar nicht fliegen. Diese Menschen sehen sich dann plötzlich in der Situation sich moralisch rechtfertigen zu müssen vor Menschen, die zwar viel mehr fliegen, aber sich durch regelmäßiges Kompensieren in der stärkeren Position wähnen. Das halte ich für äußerst problematisch.
Keineswegs halte ich es für unangebracht an Umwelt-Organisationen zu spenden. Vielmehr bin ich der Ansicht, dass jeder Schritt in die richtige Richtung ein Schritt in die richtige Richtung ist. Aber man muss sich darüber im Klaren sein, dass man sich damit sich freikaufen kann von einem Vorwurf den man anderen vielleicht zu leichtfertig macht.
Die große Sprengkraft liegt nämlich in folgendem Sachverhalt: Eine Gesellschaft, in der die Moral zum Verkauf steht, hat keine Chance auf Einigkeit. Schon gar nicht in den Themen, die augenscheinlich über Moral entscheiden. Letztendlich führt das nämlich dazu, dass die wohlhabenden und reichen Bürger so weiterleben können wie bisher und dabei ein reines Gewissen behalten. Während die Geringverdiener sich aufgrund höherer Steuern nicht nur weniger Urlaub und weniger Luxus leisten können. Schlimmer noch, ihnen bleibt noch nicht einmal mehr die Moral.