Im Zuge der Corona Krise sind viele Zweige der Wirtschaft weitgehend lahmgelegt. Besonders betroffen sind die Tourismusbranche aber auch der Flugverkehr. Es gibt kaum eine Airline, die nicht in arge Bedrängnis geraten ist. Unlängst gab die Lufthansa bekannt, dass sie es aus eigener Kraft wohl nicht schaffen wird. Deshalb hat sie Hilfe vom Staatsfond beantragt, der genau für diesen Zweck existiert. Die Verhandlungen darüber dauern mittlerweile bereits fast sechs Wochen an und langsam wird die Zeit knapp. Verwunderung weicht so langsam dem Unglauben ob der unverhältnismäßigen Dauer der Gespräche.
Das „Tafelsilber“ Lufthansa
Zu Anfang war jeder davon ausgegangen, dass die Lufthansa, immerhin ein deutsches Vorzeigeunternhemen, das viele Arbeitsplätze sichert, sich den Mitarbeitern gegenüber vorbildlich verhält und auch international ein Aushängeschild Deutschlands ist, politisches Wohlwollen genießt. Schließlich profitiert der Staat von den Steuereinnahmen der vielen deutschen Arbeitsplätze massiv. Es wäre also anzunehmen, dass eine Rettung des Unternehmens im gegenseitigen Interesse ist. Auch weil die Lufthansa trotz guter Gehälter und Arbeitsbedingungen sehr profitabel agierte und unverschuldet in die Krise, die in diesem Ausmaß keiner hat kommen sehen, gerutscht ist. Altmaier selbst sagte, dass es sich um das „Tafelsilber“ der deutschen Wirtschaft handeln würde.
Ein endloser Katalog immer neuer Anforderungen
Umso merkwürdiger erscheinen die fast lächerlich langen Verhandlungen, die immer wieder von neuen Forderungen torpediert werden. Sicherlich ist es richtig, dass der Staat ein weiteres Commerzbank-Desaster verhindern will und deshalb auch nach einer guten Exitstrategie sucht. Verantwortungsvolles Handeln ist im ürsprünglichsten Sinne die Aufgabe guter Wirtschaftspolitik. Jedoch erscheint es genauso wenig verantwortungsvoll eines der deutschen Vorzeigeunternehmen und alle Mitarbeiter so lange um die Zukunft bangen zu lassen und deren Fortbestand zu riskieren.
Und das nur, weil einige Politiker die unverschuldete Krise als Möglichkeit sehen ganz schnell ganz viel der eigenen politischen Agenda durchsetzen zu können. Die Lufthansa solle nur noch Bio Kerosin tanken, Inlandsflüge sollten zum Teil gestrichen werden, Flugzeuge müssten ausrangiert werden und nebenbei solle das Unternehmen natürlich alle Arbeitsplätze bei geringeren Einnahmen garantieren. Das geliehene Geld der Regierung müsse natürlich mitsamt hoher Zinsaufschläge zurückgezahlt werden, damit der Staat unternehmerisch ein gutes Geschäft macht.
Vier Staaten – vier Interessen
Einer der zentralen Streitpunkte ist der Einfluss, den die Regierung auf das Geschäft der Lufthansa bekommen soll. Die Rede ist zuweilen, als Bestandteil einer größeren Lösung, von 25% plus einer Stimme direkter Beteiligung. Dies würde eine Sperrminorität bedeuten, der Staat könnte also Entscheidungen maßgeblich beeinflussen und auch verhindern. Die Lufthansa hingegen wehrt sich gegen zuviel Einfluss auf das operative Geschäft. Auch weil die Tochterunternehmen in Belgien und Österreich mit ähnlichen Forderungen konfrontiert sind und eine Einigung bei insgesamt vier Ländern (Swiss Air in der Schweiz) mit jeweils eigenen Interessen kaum mehr möglich erscheinen würde. Eine solche Lösung würde zur operativen Lähmung und damit zum langsamen Unternehmenstod der Lufthansa führen.
Die Krise als Druckmittel der Politik
Dagegen wehrt sich der CEO von Lufthansa, Carsten Spohr, mit aller Kraft. Noch vor einer Woche zeigte er sich optmistisch, dass eine zeitnahe Lösung bevorstehen würde. Seitdem aber herrscht noch immer Stille. Die Unruhe wird immer größer und die Mitabeiter immer besorgter. Es geht schließlich für viele darum aus der Kurzarbeit wieder zurück in eine Vollbeschäftigung zu gelangen. Und mehr noch, im Falle einer Insolvenz stünden unter anderem auch die Pensionen der ehemaligen Mitarbeiter auf der Kippe. Das Unternehmen wäre vermutlich sogar gezwungen dazu diese zu kappen. Es geht demnach nicht nur um die Rettung vieler Arbeitsplätze sondern auch darum Menschen vor der Altersarmut zu schützen.
Dabei drängt sich die Frage auf, ob es Kalkül ist die Verhandlungen derart in die Länge zu ziehen oder ob das Verständnis wirtschaftlicher Zusammenhänge fehlt. Denn eine Insolvenz wäre nicht allein für die aktuellen und die pensionierten Mitarbeiter eine Katastrophe, auch der Staat würde ein Unternehmen verlieren, dass für große Steuereinnahmen verantwortlich ist. Er ist auf solche Unternehmen angewiesen. Die stärkere Verhandlungsposition der Regierung ist nur unmittelbar gegeben. Langfristig besteht eine Wechselwirkung, in der die Regierung mindestens genauso abhängig ist von den großen Unternehmen wie die Unternehmen vom Staat.
Eine Erkenntnis, die jedoch nicht bei allen in der Politik durchgedrungen zu sein scheint. Sie sehen die unmittelbar schwache Position der Lufthansa und anderer Unternehmen eher als Gelegenheit Einfluss auszuweiten und weniger als Aufforderung zur Hilfe. Sie scheinen die Krise nutzen zu wollen um Druck auf Unternehmen auszuüben. Ein unsittlicher und wenig solidarischer Gedanke.
Wird am Vorzeigeunternehmen ein Exempel statuiert?
Bisweilen kommt sogar das Gefühl auf, dass Teile der Regierung und der Opposition bereit sind die schwache Position der Lufthansa selbst bishin zu einer Insolvenz nutzen zu wollen. Als wären einige bereit ein Exempel zu statuieren, um für allemal zu klären, dass die Politik stärker ist als die Wirtschaft. In diesem Sinne sind die Verhandlungen mit der Lufthansa fast zu einer Art Stellvertreterkrieg geworden, in dem Politik und Wirtschaft um Macht kämpfen. Gestützt wird ein solcher Gedanke von Berichten, dass in der Regierung im Zuge der Verhandlungen ein gründsätzlicher Streit darüber entbrannt ist, inwiefern der Staat Einfluss nehmen sollte auf unternehmerische Tätigkeiten.
Ich halte es allerdings für absurd für einen solchen Richtungsstreit gerade die Lufthansa zum Anlass zu nehmen. Schließlich handelt es sich hierbei um ein extrem arbeitnehmerfreundliches Unternehmen, das immer für große Jobsicherheit und gute Gehälter bekannt war. Also voll und ganz auch linken Vorstellungen eines guten Unternehmens entsprach. Es wäre höchst widersprüchlich und nicht nachvollziehbar, wenn man im Kampf um mehr Jobsicherheit gerade ein Unternehmen gefährdet, das genau dafür steht.
Es ist Zeit Sicherheit zu schaffen
Was man sonst vielleicht wohlwollender beurteilen würde, es handelt sich schließlich um eine Urstreitfrage der Politik, muss man jetzt scharf verurteilen. Erstens drängt die Zeit. Jedes Unternehmen ist rechtlich dazu verpflichtet bei Zahlungsunfähigkeit unverzüglich Insolvenz anzumelden. Zweitens sollte man in Zeiten der Krise, in der viele Menschen in großer Unsicherheit leben, als Politik das oberste Ziel haben für soviel Sicherheit wie nur irgendmöglich zu sorgen. Diese politischen Grundsatzfragen sollen zwar diskutiert werden. Dies jedoch aber besser nach der Krise. Die größte Krise seit sehr langer Zeit ist nicht der richtige Zeitpunkt für politische Grundsatzdiskussionen. Momentan geht es um unmittelbare und pragmatische Hilfe, die zumindest eine Sorge der vielen Angestellten lindern würde.