Antifa ≠ Antifaschismus – Das Lied der endlosen Wortklauberei

Seit es politische Auseinandersetzungen gibt versuchen jene Akteure, die sich eindeutig einer bestimmten Richtung zuordnen, Diskussionen um die extremen Auswüchse ihrer politischen Vorstellung zu unterdrücken. Verschiedene Mittel werden angewendet. Man verleugnet, verwässert oder bedient sich des allzu beliebten Whataboutismus. Wie auch immer man es tut, das Ziel ist immer das Gleiche. Bloß nicht zugeben müssen, dass auch die eigene Vorstellung von Politik und Gesellschaft nicht perfekt ist. Momentan gibt es in den sozialen Medien eine Diskussion um die Antifa.

Harmloser Extremismus?

Spätestens seit der Verfassungsschutz die Umweltbewegung „Ende Gelände“ als linksextremistisch eingestuft hat, herrscht ein wahrer Krieg um die Existenz des Linksextremismus. Als Reaktion wurde unter anderem von der Linkspartei als auch von den Grünen in Berlin die Abschaffung des Verfassungsschutz ins Spiel gebracht. Viele Politiker haben sich außerdem „ironisch“ selbst als linksextrem bezeichnet, um damit zum Ausdruck zu bringen, wie lächerlich das doch sei. Schließlich handele es sich um eine Umweltbewegung. Da von Extremismus zu sprechen sei doch sehr überzogen. Die seien harmlos und würden niemanden in gleicher Art bedrohen, wie es Rechtsextremisten tun.

Was natürlich stimmt, in diesem Zusammenhang jedoch völlig irrelevant ist. Die Verwendung von Whataboutismus ist genauso wenig hilfreich wie sonst auch. Seitdem aber der Verfassungsschutz seine begründete Einstufung vorgenommen hat, kommt die Diskussion nicht mehr zur Ruhe. Zwar ist mittlerweile die Antifaschistische Aktion, kurz Antifa, Mittelpunkt der Diskussion. Im Grunde aber geht es um eine grundsätzliche Frage. Und zwar die Frage, ob es so etwas wie Linksextremismus überhaupt gibt. Viele versuchen das, zumindest indirekt, zu leugnen. Der Trick dabei ist es die Existenz von linksextremistischen Organisationen zu leugnen. Wenn es keine entsprechenden Organsiationen gibt, dann fällt es natürlich schwer von linksextremistischer Gewalt zu reden. Weil wen soll man anklagen? Es sind dann allenfalls ein paar verwirrte Einzeltäter, mehr nicht. Nichts dramatisches.

(K)eine Organisation namens Antifa

So zumindest der allgemeine Sprech. Aus genau diesem Grund wird momentan versucht, auch getrieben von Saskia Esken und dem Parteivorstand der SPD (https://twitter.com/spdde/status/1267371616788525057), die sich als Antifa bezeichnet haben, die Existenz der Antifaschistischen Aktion als Organisation zu leugnen. Esken und der Parteivorstand der SPD wollen zum Ausdruck bringen, dass sie Gegner des Faschismus sind. Dass sie von sich selbst als Antifa sprechen hat jedoch noch einen anderen Zweck, es geht um mehr als die Positionierung gegen Faschismus.

Als Frau Esken damit konfrontiert wurde, dass es nicht vorbildhaft wäre sich hinter eine extremistische Bewegung zu stellen, beharrte sie auf dem Standpunkt, dass der Begriff Antifa nur eine Abkürzung für Antifaschismus darstelle. Darauf hat sie zwar viel Kritik einstecken müssen. So versuchten etliche Leute ihr zu erklären, dass man gemeinhin sehr wohl eine dezentral organisierte Bewegung, die weit mehr als nur antifaschistisch ist, unter dem Begriff Antifa begreift.

Schließlich, und das ist ein entscheidender Punkt, ist jedem klar, dass wenn man über die Antifa redet, damit die dezentral organisierte Bewegung gemeint ist, die eben zu Teilen extremistisch ist. In keiner politischen Diskussion, in der über die Antifa als solche geredet wurde, war damit allgemein der Kampf gegen den Faschismus gemeint. Dieser Begriff findet im allgemeinen Sprachbegrauch allein Anwendung bezüglich der Bewegung. Dass sie keinen Vorstand oder eine zentrale Adresse hat, ist in diesem Sinne unwichtig.

Schutz gegen Kritik

Warum genau es der SPD so wichtig ist die Antifa als Organisation diese Wortklauberei zu betreiben, bleibt vorerst ihr Geheimnis. Jedenfalls hat dies zur Folge, dass damit die linksextremistische Bewegung verharmlost wird. Denn wenn die Antifa gleichbedeutend ist mit dem Antifaschismus, dann stellt man sich der Argumentation folgend auf die Seite der Faschisten, sobald man die Antifa kritisiert. So wird die Antifa letztendlich vor sachlicher Kritik geschützt. Wer will sich schon mit Faschisten gemein machen? Die Antifa, die es offiziell gar nicht gibt, erhält dadurch große Handlunsfreiheit. Jede Kritik an ihrem doch sehr existentem Treiben ist schließlich automatisch auch eine Kritik am Antifaschismus.

Was unfair erscheinen mag, weil man in einer Demokratie eigentlich alles diskutieren können muss, was schief läuft, wird mit allen Mitteln durchzusetzen versucht. So hat heute (01.06.2020) ein Jungpolitiker der SPD Moabit-Nord, der vor allem durch seine Aktivität auf den sozialen Medien in Erscheinung getreten ist, den Wikipedia Artikel  über die Antifa seinen Vorstellungen nach geändert (https://twitter.com/paul_wetzl/status/1267523334671159302). Hintergrund ist, dass viele Diskutanten Frau Esken mit dem Wikipedia Artikel, der eben nicht von einer Abkürzung für Antifaschismus geredet hat, konfrontiert haben. Das hat sie wohl so sehr geärgert, dass der Wikipedia in ihrem Sinne geändert wurde. Eine lustige und vielleicht auch leicht skandalöse Randnotiz ist, dass besagter Jungpolitiker dann mit dem selbst geänderten Artikel als Quelle argumentiert hat. Dreist, unlauter aber fast schon witzig.

Ist es wirklich so schwer?

All das ist nicht dramatisch und in sachlicher Betrachtung eigentlich zu unwichtig und lächerlich, um sich sehr darüber aufzuregen. Wenn, ja, wenn es nicht die Vorsitzende der früheren Volkspartei SPD wäre, die damit beschäftigt ist übelste Wortklaubereien auf Twitter zu betreiben. Sie ist keineswegs eine unwichtige politische Persönlichkeit und versteht offensichtlich nicht, wie sehr sie in diesem eigentlich irrelevanten Kampf ihre Stimme für die Verharmlosung von Extremismus missbrauchen lässt.

Ganz ohne Zweifel ist nicht jeder Extremismus gleich schlimm. Die meisten wirklich schweren politischen Gewaltstraftaten gehen von Rechtsextremisten aus. Sie sind die größere Gefahr für unser Land. Aber macht dieser Umstand eine andere Form von Extremismus besser? Was ist bloß so unendlich schwer daran sich konsequent gegen jede (!) Form des Extremismus zu stellen? Mit bleibt das ein unlösbares Rätsel.

 

 

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