Saudi-Arabien und wir

Zu Waffenlieferung nach Saudi-Arabien hat die CDU ihre Meinung geändert. Merkel sagt, diese könne „nicht stattfinden in dem Zustand, in dem wir momentan sind“. Mit diesem Zustand meint sie den Mord am regimekritischen und gut vernetzten Journalisten Kashoggi.
 
Ich begrüße diese Meinungsänderung. Allerdings stimmt mich nachdenklich, dass es erst eines toten Journalisten mitsamt größtem öffentlichen Druck bedurfte, diesen Schritt zu gehen. Millionen hungernde Menschen im Jemen haben nicht ausgereicht. Saudi-Arabiens massive Unterstützung des IS hat nicht gereicht. Was sagt das über die Politik aus? Sie reagiert immer nur, sie agiert nicht.
 
Eine weitere Frage, die ich mir stelle lautet: Was sagt es über die westliche Gesellschaft aus, dass erst bei einem toten Journalisten ein massiver Druck auf Mohammed bin Salman ausgeübt wird.
 
Das Problem ist also zweierlei: Eine Gesellschaft, die sich nur recht wenig an millionenfachem Hungern stört und eine Regierung, die nur dann handelt, wenn sie dazu gezwungen wird.
 
Zumindest wäre es schön, wenn es nun tatsächlich dazu kommt, dass die Waffenlieferungen eingestellt werden. Ich befürchte allerdings, dies wird nicht dauerhaft so bleiben.

Das Zeichen einer starken Demokratie

Die Bayernwahl ist die wichtigste Landtagswahl in Deutschland. Dementsprechend haben dessen Ergebnisse eine wegweisende Aussagekraft. Weil insbesondere die Bundespolitik bei dieser Landtagswahl eine große Rolle gespielt hat, kann man durch diese Ergebnisse auch Rückschlüsse für die gesamte Bundesrepublik ziehen.

Zum Ersten fällt auf, dass die GroKo weiter massiv an Boden verliert. In den momentanen Hochrechnungen liegt die SPD in Bayern tatsächlich unter 10%. Ein historisches Tief, das vor fünf Jahren wohl noch jeder als unmöglich bezeichnet hätte. Die CSU leigt mittlerweile nur noch bei rund 35%. Auch das ist nichts anderes als katastrophal.

Damit nimmt die Abwanderung der Wähler der (ehemaligen) Volksparteien weiter Fahrt auf. Die Unzufriedenheit mit der Regierung ist größer denn je. Man kann sagen, selbst schuld. Hat man den Wählerwillen bei der letzten Bundestagswahl schlicht ignoriert. Entgegen dem Verlust von 13% erneut in der gleichen Konstellation zu regieren, war und ist ein großer Fehler.

Doch man kann dem Ergebnis auch viel Positives abgewinnen. Denn die Bevölkerung scheint politisch wie schon lange nicht mehr. Eine Wahlbeteiligung von mehr als 70% heißt vor allem eines: Das Volk will politisch involviert sein und das zahlt sich aus für die vielen kleineren Parteien. Haben die Grünen ein Rekordergebnis erzielt, so sind auch die Freien Wähler mit mehr als 11% beachtlich in der Wählergunst gestiegen

Selbstverständlich hat es auch die AfD in den Landtag geschafft. Allerdings mit unter 11% deutlich unter dem, was man sich selbst erhofft hat. Gerade auch wegen der hohen Wahlbeteiligung kann man einen hochinteressanten Schluss ziehen.

Die Leute sind unzufrieden, sie wollen Sicherheit und sie wollen Fortschritt. Was sie aber nicht wollen, sind plumpe rechte Politiker. Sie wollen zwar Alternativen, allerdings echte. Durchaus gibt es eine fast unverändert große konservative und liberale Gruppe. Diese ließ sich allerdings nicht einfangen von einer AfD, die trotz angeblicher Freude über das Ergebnis, wohl ziemlich enttäuscht sein wird. Wenn es der (nächsten) Regierung gelingt pragmatische Antworten auf die drängenden Fragen der Einwanderung zu finden, dürfte es die AfD schwer haben den Höhenflug fortzuführen.

Unsere Demokratie ist stark und sucht sich seine Wege mit der schwierigen politischen Situation umzugehen. Das ist das Fazit, das ich aus dieser Wahl mitnehme.

Der erbitterte Kampf um die Juden

Strategiewechsel bei der AfD. Hat man lange mit den Schultern gezuckt und relativiert, wenn es um das Thema Antisemitismus ging, scheint man in der Partei mittlerweile umzudenken und das Thema auf einmal nutzen zu wollen. Warum?

Seit längerer Zeit verfolge ich, was führende Lautsprecher der neuen Rechten so täglich von sich geben. Das mache ich nicht, weil ich mich quälen will. Ich hab normalerweise ein ganz gutes Verhältnis zu mir selbst. Sondern ich tue das, weil ich dabei besser verstehen kann, wohin die Bewegung will und wie sie dahin zu gelangen versucht.

Antisemitismus im Kleide des Antizionismus

Spätestens mit dem Ausscheiden Luckes aus der AfD hatte Antisemitismus einen festen Platz in der Partei. Ein wunderbares Beispiel ist Wolfgang Gedeon. Er selbst bezeichnet sich als Antizionisten. Eine hübsche Umschreibung für Leute, die Israel und der Bevölkerung gerne das Existenzrecht absprechen. Häufig wird das in Verbindung mit genau dieser Begrifflichkeit auf verschwörungstheoretischen Seiten wie KenFM genau so formuliert. Heute gibt es fast niemanden mehr, der sich offen zum Antisemtismus steht, heute heißt es Antizionismus. Wortklauberei, nichts weiter.

Gedeon sagte unter anderem in seiner Publikation „Der grüne Kommunismus und die Diktatur der Minderheiten“, dass der Islam „der äußere Feind“ und das Judentum „der innere Feind“ des Abendlandes sei. Er führt weiter aus:

„Als sich im 20. Jahrhundert das politische Machtzentrum von Europa in die USA verlagerte, wurde der Judaismus in seiner säkular-zionistischen Form sogar zu einem entscheidenden Wirk- und Machtfaktor westlicher Politik. (…) Der vormals innere geistige Feind des Abendlandes stellt jetzt im Westen einen dominierenden Machtfaktor dar, und der vormals äußere Feind des Abendlandes, der Islam, hat via Massenzuwanderung die trennenden Grenzen überrannt, ist weit in die westlichen Gesellschaften eingedrungen und gestaltet diese in vielfacher Weise um“

Meuthen macht mit

Gedeon bedient damit genau das Muster zur Argumentation, das im modernen Antisemitismus (Antizionismus) häufig Verwendung findet. Ähnliches liest man unter beinahe jedem Israel bezogenen Text von Ken Jebsen und anderen professionellen Verschwörungstheoretikern. Doch Gedeon setzt noch einen auf den üblichen Gedanken drauf. In feinster Manier verbindet er die Abscheu gegen den Islam mit dem Antizionismus. Er suggeriert, dass es letztendlich es die Juden sind, die die „Masseneinwanderung“ als Waffe initiierten. Die Juden also als treibende zersetzende Kraft unserer Gesellschaft.

Ganz schön harter Tobak. Noch härterer Tobak ist aber die Tatsache, dass dieser Mann ein AfD internes Verfahren überstanden hat und damit nicht einmal mehr zur Disposition steht. Mehr noch, der stärkste Mann der AfD, Jörg Meuthen, hat in einem persönlichen Schreiben an Gedeon geschrieben, dass er großen Respekt und auch Wertschätzung für seine Arbeit an dem Diskussionspapier hätte. Damit lässt sich wohl sagen, dass Antisemitismus von höchster Stelle toleriert bzw. sogar gefördert und unterstützt wird.

Strategiewechsel

Das alles ist ein paar Jahre her. Mittlerweile jedoch scheint man in der AfD begriffen zu haben, dass man als antisemitische Partei auf Dauer in Deutschland keinen Blumentopf gewinnen kann. Nun soll sich innerhalb der AfD eine Gruppe jüdischer Mitglieder als solche zu erkennen geben. Das hat zweierlei Gründe:

Man kann auf Dauer nicht gegen jede Minderheit hetzen. Irgendwann beim Erwachsen werden einer populistischen Partei muss man sich auf einige wenige Minderheiten beschränken. Zudem ist ein gleichzeitiges Hetzen gegen Juden und Islam für viele Anhänger der AfD nicht vermittelbar und mit der Logik nicht vereinbar. Schließlich muss man vorgeben irgendwas schützen zu wollen. In diesem Fall suggeriert die Gründung einer jüdischen Gruppe, dass man ein sicheres Zuhause gegen die vielen antisemitischen Muslime sei. Außerdem hofft man auf die fehlende Erinnerung an die antisemitischen Eskapaden der Vergangenheit.

Gleichzeitig zur Gründung der Gruppe gibt es von den Neurechten eine allgemeine und großangelegte Offensive, in der jeder und alles diskreditiert, was auf die antisemitischen Tendenzen der AfD hinweist. In fast zweistündlichen Takt gibt es neue Posts von führenden Lautsprechern der neurechten Bewegung wie Erika Steinbach.

Breite Ablehnung jüdischer Gemeinde

Da der immer schon da gewesene und niemals verschwundene Antisemitismus nicht unbemerkt blieb in der jüdischen Gemeinde stößt die Großoffensinve sich als judenfreundlich darzustellen auf wenig Gegenliebe. Ein breites Bündnis bestehend aus vielen jüdischen Verbänden und Organisationen verfasste ein Statement („AfD – Keine Alternative für Juden“), das sich gegen genau diesen Versuch der AfD richtet. Dieses Bündnis besteht aus dem Zentralrat der Juden, dem AJC, dem jüdischen Frauenbund, Makkabi Deutschland, die Zionistische Organisation, dem Worl Jewish Congress und 36 anderen.

Charlotte Knobloch, ihres Zeichens die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, weist zudem darauf hin, dass Existenz von Juden in der AfD kein Beweis für die Abwesenheit starker antisemitischer Strukturen sei. Diese Argumentation war im übrigen noch nie standhaft. Es hab immer Leute, die sich näher standen und damit unsägliches Leid mitgetragen haben.

Der Versuch der AfD als nicht mehr antisemitisch zu gelten ist kaum ernst zu nehmen. Solange Leute wie Wolfgang Gedeon einen festen Platz in der AfD haben, ist und bleibt sie eine zu Teilen antisemitische Partei.

Der Stein

Ich wohne am Meer. An einem bestimmten Platz, 20 Minuten entfernt von meinem Haus, liegt ein Stein. Er liegt direkt am Ufer. Und dieser Stein ist ein Wunder. Denn niemand außer mir vermag ihn zu sehen. Ich sitze oft stundenlang an der Küste und beobachte ihn. Ich kann nicht genau sagen wieso und warum, aber er fasziniert mich. Manchmal, wenn der Wind die Wellen größer werden lässt, dann bewegt sich der Stein. Nach vorne und nach hinten, bis die Wellen wieder kleiner werden. Ich liebe diese stürmischen Tage, wenn der Stein stoisch seinen Tanz tanzt. Sein Tanz ist allerdings weniger stoisch und beständig, als voller Lebensfreude und extatischer Ausbrüche einer ansonst starren Existenz. Unbeachtet und unbeobachtet bewegt er sich, doch der Enthusiasmus seines Tanzes wird dadurch nicht gemindert.

In diesen Momenten bin ich glücklich. Glücklich darüber, dass zumindest ich dieses Naturwunder zu sehen vermag. Ich habe schon oft versucht andere Menschen an meinem Glück teilhaben zu lassen. Aber niemand hat bisher gesehen, was ich sehe. Es ist beinahe so, als ob der Stein nur in meiner Phantasie existieren würde. Aber jedes Mal, wenn ich an diesen bestimmten Ort zurückkehre, ist alles unverändert. Ich setze mich und warte darauf, dass ich wieder Zeuge seines Tanzes werden darf. Ich bin wohl einfach gesegnet ihn zu sehen. Und die anderen sind blind. Ich zeige auf Ihn und sie fragen mich, welchen der vielen Steine ich meinen würde. Verdutzt, fragend und ein wenig belustigt sehen sie mich an. Ich sage, sie sollen auf den Lebenden sehen. Spätestens dann werde ich für verrückt erklärt. Ich frage, wie kann etwas das tanzt, nicht leben? Es existiert, es tanzt, es lebt.

Vielleicht halten sich die Menschen an seiner Größe auf. Ich sagte, er sei groß. Und das ist er auch, aber nur, wenn man ihn mit kleineren Steinen vergleicht. Wenn man ihn mit größeren Steinen vergleicht, so ist er klein. So ist es nun einmal. Nichts ist groß und nichts ist klein. Alles steht lediglich in Relationen zueinander. Er ist zwar nicht groß genug, um nicht mehr von den Wellen bewegt zu werden, aber gerade groß genug, dass das Meer Ihn nicht endgültig abtragen kann.

So, wie er seine Existenz fristet, ist der Stein etwas ganz besonderes. Niemand, wahrscheinlich nicht mal er selbst weiß, wie lange er schon existiert. Gewiss ist er älter, als ich es mir in meinen kühnsten Vorstellungen nicht denken kann. Und dennoch fristet er sein Dasein würdevoll. Nicht den kleinsten Anschein von Selbstmitleid. Dabei wäre Selbstmitleid nachvollziehbar, immerhin wird er bis ins Unendliche, wenn auch nicht immer in der gleichen Form, irgendwo verbleiben müssen. Und auf unbestimmte Zeit ist er dazu gezwungen, dauerhaft auf der gleichen Stelle zu verharren, immer in der Hoffnung bald wieder tanzen zu dürfen.

Doch derlei Gedanken drängen sich nur mir auf, sie interessieren den Stein nicht. Denn es sind allzu menschliche Gedanken und als solche haben sie nichts mit dem Leben zu tun. Der Stein denkt nicht an ein Ende und ebenfalls nicht an einen Anfang. Er lebt ganz einfach und zuweilen tanzt er um dem Ausdruck zu verleihen. Vielleicht ist es das, was mich so tief berührt während ich den Stein beobachte. Dennoch, diesen Gedanken zu fassen ist schwierig, unheimlich schwierig, ist man als Mensch doch an menschliche Gedanken gebunden.