Der erbitterte Kampf um die Juden

Strategiewechsel bei der AfD. Hat man lange mit den Schultern gezuckt und relativiert, wenn es um das Thema Antisemitismus ging, scheint man in der Partei mittlerweile umzudenken und das Thema auf einmal nutzen zu wollen. Warum?

Seit längerer Zeit verfolge ich, was führende Lautsprecher der neuen Rechten so täglich von sich geben. Das mache ich nicht, weil ich mich quälen will. Ich hab normalerweise ein ganz gutes Verhältnis zu mir selbst. Sondern ich tue das, weil ich dabei besser verstehen kann, wohin die Bewegung will und wie sie dahin zu gelangen versucht.

Antisemitismus im Kleide des Antizionismus

Spätestens mit dem Ausscheiden Luckes aus der AfD hatte Antisemitismus einen festen Platz in der Partei. Ein wunderbares Beispiel ist Wolfgang Gedeon. Er selbst bezeichnet sich als Antizionisten. Eine hübsche Umschreibung für Leute, die Israel und der Bevölkerung gerne das Existenzrecht absprechen. Häufig wird das in Verbindung mit genau dieser Begrifflichkeit auf verschwörungstheoretischen Seiten wie KenFM genau so formuliert. Heute gibt es fast niemanden mehr, der sich offen zum Antisemtismus steht, heute heißt es Antizionismus. Wortklauberei, nichts weiter.

Gedeon sagte unter anderem in seiner Publikation „Der grüne Kommunismus und die Diktatur der Minderheiten“, dass der Islam „der äußere Feind“ und das Judentum „der innere Feind“ des Abendlandes sei. Er führt weiter aus:

„Als sich im 20. Jahrhundert das politische Machtzentrum von Europa in die USA verlagerte, wurde der Judaismus in seiner säkular-zionistischen Form sogar zu einem entscheidenden Wirk- und Machtfaktor westlicher Politik. (…) Der vormals innere geistige Feind des Abendlandes stellt jetzt im Westen einen dominierenden Machtfaktor dar, und der vormals äußere Feind des Abendlandes, der Islam, hat via Massenzuwanderung die trennenden Grenzen überrannt, ist weit in die westlichen Gesellschaften eingedrungen und gestaltet diese in vielfacher Weise um“

Meuthen macht mit

Gedeon bedient damit genau das Muster zur Argumentation, das im modernen Antisemitismus (Antizionismus) häufig Verwendung findet. Ähnliches liest man unter beinahe jedem Israel bezogenen Text von Ken Jebsen und anderen professionellen Verschwörungstheoretikern. Doch Gedeon setzt noch einen auf den üblichen Gedanken drauf. In feinster Manier verbindet er die Abscheu gegen den Islam mit dem Antizionismus. Er suggeriert, dass es letztendlich es die Juden sind, die die „Masseneinwanderung“ als Waffe initiierten. Die Juden also als treibende zersetzende Kraft unserer Gesellschaft.

Ganz schön harter Tobak. Noch härterer Tobak ist aber die Tatsache, dass dieser Mann ein AfD internes Verfahren überstanden hat und damit nicht einmal mehr zur Disposition steht. Mehr noch, der stärkste Mann der AfD, Jörg Meuthen, hat in einem persönlichen Schreiben an Gedeon geschrieben, dass er großen Respekt und auch Wertschätzung für seine Arbeit an dem Diskussionspapier hätte. Damit lässt sich wohl sagen, dass Antisemitismus von höchster Stelle toleriert bzw. sogar gefördert und unterstützt wird.

Strategiewechsel

Das alles ist ein paar Jahre her. Mittlerweile jedoch scheint man in der AfD begriffen zu haben, dass man als antisemitische Partei auf Dauer in Deutschland keinen Blumentopf gewinnen kann. Nun soll sich innerhalb der AfD eine Gruppe jüdischer Mitglieder als solche zu erkennen geben. Das hat zweierlei Gründe:

Man kann auf Dauer nicht gegen jede Minderheit hetzen. Irgendwann beim Erwachsen werden einer populistischen Partei muss man sich auf einige wenige Minderheiten beschränken. Zudem ist ein gleichzeitiges Hetzen gegen Juden und Islam für viele Anhänger der AfD nicht vermittelbar und mit der Logik nicht vereinbar. Schließlich muss man vorgeben irgendwas schützen zu wollen. In diesem Fall suggeriert die Gründung einer jüdischen Gruppe, dass man ein sicheres Zuhause gegen die vielen antisemitischen Muslime sei. Außerdem hofft man auf die fehlende Erinnerung an die antisemitischen Eskapaden der Vergangenheit.

Gleichzeitig zur Gründung der Gruppe gibt es von den Neurechten eine allgemeine und großangelegte Offensive, in der jeder und alles diskreditiert, was auf die antisemitischen Tendenzen der AfD hinweist. In fast zweistündlichen Takt gibt es neue Posts von führenden Lautsprechern der neurechten Bewegung wie Erika Steinbach.

Breite Ablehnung jüdischer Gemeinde

Da der immer schon da gewesene und niemals verschwundene Antisemitismus nicht unbemerkt blieb in der jüdischen Gemeinde stößt die Großoffensinve sich als judenfreundlich darzustellen auf wenig Gegenliebe. Ein breites Bündnis bestehend aus vielen jüdischen Verbänden und Organisationen verfasste ein Statement („AfD – Keine Alternative für Juden“), das sich gegen genau diesen Versuch der AfD richtet. Dieses Bündnis besteht aus dem Zentralrat der Juden, dem AJC, dem jüdischen Frauenbund, Makkabi Deutschland, die Zionistische Organisation, dem Worl Jewish Congress und 36 anderen.

Charlotte Knobloch, ihres Zeichens die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, weist zudem darauf hin, dass Existenz von Juden in der AfD kein Beweis für die Abwesenheit starker antisemitischer Strukturen sei. Diese Argumentation war im übrigen noch nie standhaft. Es hab immer Leute, die sich näher standen und damit unsägliches Leid mitgetragen haben.

Der Versuch der AfD als nicht mehr antisemitisch zu gelten ist kaum ernst zu nehmen. Solange Leute wie Wolfgang Gedeon einen festen Platz in der AfD haben, ist und bleibt sie eine zu Teilen antisemitische Partei.

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