In letzter Zeit, ich glaube wir sind uns da alle einig, hat sich unsere Gesellschaft nicht unbedingt als versöhnlich aufgetan. Streit und Diskreditierung sind, insbesondere auf Twitter, wo Bubble-Kämpfe zur Tagesordnung gehören, zur normalen Gangart geworden. Als Krönung dieser extrem unschönen Entwicklung kann man, nett ausgedrückt, das Gerangel rund um den WDR und sein umgedichtetes Lied nennen, in dem über Oma, die Umweltsau, gesungen wurde. Abgerundet wurde das Lied mit dem sehr eindrücklichen Satz von Greta Thunberg „We will not let you get away with this!“ Ein Lied, das in etwas missglückter Art auf die Versäumnisse der älteren Generationen aufmerksam machen sollte.
Es äußerten sich private Accounts wie auch Medien, die das Lied kritisierten, weil es, wenn vielleicht auch nicht exakt so gewollt, eine ganze Generation sehr hart kritisiert, oder anders gesagt, beleidigt hat. Es gab Kritik an der Kritik und bald schon, als sich immer mehr Menschen zu der Diskussionen gesellten, haben die Extreme das Heft des Handelns übernommen. Rechtspopulisten und Rechtsextremisten klagten auf einmal mit an, zu gut war die Gelegenheit sich zu profilieren. Linke „Influencer“ wie Böhmermann übernahmen die andere Seite und gingen auf zunehmend unsachliche Art die Kritiker, auch die nicht Rechten, an dem Lied auseinander.
Letztendlich scheiterte die Diskussionen an der massiven Unsachlichkeit der Rechten (Oh Wunder). Aber auch Böhmermann und Co. ließen sich auf keinerlei sachliche Diskussion ein. Totschlagargumente wurden ausgeteilt, die eigene Bubble wollte niemand verlassen. Geblockt wird, wer eine andere Meinung vertritt. Letztendlich ging es darum: Was darf Satire? Doch das war leider die falsche Frage. Bevor man das nämlich fragt, muss erst einmal geklärt werden, was Satire eigentlich ist.
Denn, etwas überspitzt gesagt, nicht alles, was provokativ und beleidigend ist, ist automatisch auch Satire. Das soll keine Aufforderung zu weniger Kunstfreiheit sein, kein Gesuch einer Einschränkung oder dergleichen. Es soll einfach der Verweis darauf sein, dass das Lied anfangs nicht satirisch gemeint war. Als Satire wurde es nach Aufkommen massivster Kritik deklariert und genau das ist unredlich. Schließlich folgt auf die Tatsache, dass man sich darauf beruft, Satire dürfe alles, eben auch ein Schutz vor Kritik. Wer sich danach trotzdem kritisch über das Lied äußerte, dem wurde vorgeworfen man stelle sich gegen die Kunstfreiheit und damit gegen die freiheitlich demokratische Ordnung. Was also soll ein nicht (!) rechter Kritiker des Liedes nun tun? Sich damit abfinden als Antidemokrat bezeichnet zu werden? Oder sich rechtfertigen eben das nicht zu sein? Eine schwierige und unfaire Situation, die in unredlicher Manier einen echten Austausch verhindern soll.
Deshalb ist die Frage, was Satire eigentlich ist nicht antidemokratisch oder ein Aufruf zu weniger Kunstfreiheit. Sie ist viemehr Ausdruck tiefster demokratischer Begierde, der Sehnsucht nach sachlichem Austausch. Kurt Tucholsky, gewissermaßen die Instanz, die immer wieder zu Rate gezogen wird, wenn es um die Frage geht, was Satire darf, hat allerdings höchstselbst mehr gesagt, als dass Satire alles dürfe. Unter anderem schrieb er:
„Satire ist eine durchaus positive Sache. Nirgends verrät sich der Charakterlose schneller als hier, nirgends zeigt sich fixer, was ein gewissenloser Hanswurst ist, einer, der heute den angreift und morgen den.“
Ebenfalls gibt er zu Wissen, dass seiner Meinung nach das Ziel guter Satire sein sollte „dem dicken Kraken an den Leib zu gehen, der das ganze Land bedrückt und dahockt: fett, faul und lebenstötend.“
Satire nimmt die Mächtigen in die Pflicht, den dicken Kraken, unter dessen Wirken viele Menschen leiden. Sie ist überzogen, aber auch ehrlich. Sie ist nicht willkürlich, sie arbeitet gezielt, sie schwankt nicht und ist nicht unfairer als sie sein muss. Tucholsky selbst grenzt ein, dass es durchaus Menschen gibt, die diese Form der Kunst missbrauchen oder sich mutlos um die wichtigen Themen herumdrücken.
Und genau hierbei hapert es bei der Satire des WDR. Sie richtet sich gegen eine so große Gruppe, dass sie unter keinen Umständen als gezielt bezeichnet werden kann. Zu unterschiedlich die Leute, die mit „Umweltsau Oma“ gemeint waren. Menschen, die unfassbar viel geleistet und Gutes für die nächsten Generationen getan haben. Menschen, die sich seltener da aufhalten, wo die große Kritik geäußert wird und die sich deswegen auch schlecht wehren können. Menschen, die ihren Beitrag bereits geleistet haben, jetzt aber nicht die mächtige und fette Krake sind, die noch bewegt werden kann. Unter anderem deshalb ist das Lied des WDR im besten Falle schlechte Satire.
Als solche muss es ok sein auch Satire in die Pflicht zu nehmen, sie zu kritisieren und zu messen. Versteht man den Satz, dass Satire alles darf, falsch, so denkt man zu schnell sie sei über Kritik erhaben. Das ist sie nicht. Das wird sie nie sein und deshalb muss es der ureigene Wunsch der Satire sein so hinterfragt zu werden, wie sie selbst in notwendiger Weise alles hinterfragt, was hemmt, agitiert und falsch läuft. Sonst nämlich regt sie keine Diskussion an, sondern zerstört sie und entzieht sich damit ihrem ursprünglichen Sinn. Auf diese Weise würde man den Gewissen- und Charakterlosen eine viel zu große Macht geben Diskussionen zu stoppen, noch bevor sie ihren demokratischen Zweck erfüllen können.
Einst ging die Sprache auf die Straße und bekam eins auf die Nase. Sie wurde zerrissen und sogar auf Ihr geschissen. In dieser Not, kam der Ton. Er versprach mehr Kommunikation. Er schenkte der Sprache einen Umhang und verlieh dem Wort den Klang. So half sich die beiden Genossen und retteten sich so aus den Gossen. Von da an gingen Sie Hand in Hand, des Worte Klang mit dem Sprachgewandt. So gewappnet, unerschrocken, waren Sie nicht mehr zu topen.
Mit freundlichen Grüßen Udo Paulus,
am Falder 20 40589 Düsseldorf
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