Kleines Irrlicht AfD – Eine Protestpartei ohne Orientierung

Corona verändert vieles. Das Virus verändert unser Bild von anderen Menschen, die Art miteinander zu kommunizieren; es verändert individuelle Perspektiven und treibt einige gar in existenzielle Nöte. Es verändert persönliches und auch das große Ganze. Einige Strukturen, deren wir uns in ihrer Unumstößlichtkeit gewiss waren, stehen Kopf. Es gibt in dieser Krise keine klaren Richtlinien mehr, keine klaren Fronten, denen man sich zuordnen kann. Gerade politisch macht sich das bemerkbar. Positionen, die man Politikern und Parteien ohne groß nachdenken zu müssen zuordnen konnte, sind in ihrer Einordnung nicht mehr so eindeutig.

Kritiker der konservativen Wirtschaftspolitik erkennen plötzlich an, dass die Politik der schwarzen Null durchaus Sinn ergibt. Die FDP fordert eine zeitweise Erhöhung der Hartz IV Sätze. Vorgänge, die noch vor zwei Monaten undenkbar schienen. Und doch geschieht es. Damit ordnet sich die politische Landschaft, die sich im Zuge der fortschreitenden Polarisierung immer weiter in zwei Lager teilte, ein Stück weit neu. Gab es vorher das linke und das konservative Lager, scheinen wir uns mittlerweile von diesem vereinfachten und naiven Denkmuster zu verabschieden. Plötzlich gibt es Überschneidungen zwischen Parteien, die sich eigentlich spinnefeind waren und manch eine Position, die nicht aus Überzeugung, sondern nur aus einer ablehnenden Grundhaltung dem „Gegner“ gegenüber übernommen wurde, wird neu hinterfragt.

Diese politische Landschaft, die Unterschiede insbesondere bei den Linken, der SPD und den Grünen immer undeutlicher hat werden lassen und in der selbst die CDU nur noch seltener klar zu trennen war von ihrem Regierungspartner, hat es einer Partei wie der AfD einfach gemacht. Sie hatte nicht viel zu tun. Keine Positionen, keine Überzeugungen und keine substanziell politische Arbeit war vonnöten. Die AfD musste einfach nur dagegen sein. Wogegen genau, also welche Positionen, war mehr oder weniger egal. Es ging darum diesen gleichförmigen Block aus SPD, Linken, Grünen und zu Teilen der CDU entgegenzutreten und so zu tun als sei man die einzige Alternative. Eine echte Opposition. Da hat es nicht einmal eine Rolle gespielt, dass diese Alternative in Wirklichkeit keine war. Sie konnte inhaltsleer und menschenfeindlich sein, solange diese Partei nur grundsätzlich ihre Unzufriedenheit ausdrückte.

Und das funktioniert. Zumindest so lange, wie es diese polarisierte und simple politische Aufteilung gibt. Eine, in der Meinungen und Positionen zunehmend aus Haltung und weniger aus logischer Überzeugung vertreten werden. Alles, was diese Protestpartei tun musste, war es ebenso inhaltlose Haltung zu zeigen. Aus diesem Grund war und ist es den Wählern der AfD auch stets egal gewesen, dass deren Vertreter die schlechteste, mitunter grotesk miserable und positionsarme Politik betrieben haben. Darum ging es nämlich nie wirklich. Es ging um eine Möglichkeit zu unterscheiden, es ging um Protest und um mehr nicht.

So schien es, dass die AfD sich langfristig stabil bei 15% halten konnte. Ein Wert, der Potential bietet. Was auch deshalb bemerkenswert ist, weil die AfD ihr Hauptthema Flüchtlinge mit Abflachung der Zahlen Neueingewanderter verlor. Viele, inklusive mir, gingen davon aus, dass dies der Anfang vom Ende der AfD sein würde. Doch war dies nicht zutreffend. Sie fanden einen neuen Weg, sie sahen ihren Einfluss auf Medien und Politik. Alle waren stets bemüht klare Front gegen rechts zu zeigen. Sie wollten allen zeigen, was durchaus der Wahrheit entspricht. Die AfD ist gefährlich, schürt Menschenhass und macht allgemein schlechte Arbeit. Grundsätzlich nicht verkehrt.

Jedoch: In diesem Bemühen gewann die Haltung im Journalismus und der Politik derart an Kraft, dass auch die „anständige“ Form des Populismus zur Regel wurde. Sie wollte steuern und Wähler davon abbringen die AfD zu wählen. Und bewirkte das genaue Gegenteil. Denn exakt das war es ja, was die AfD immer behauptete. Gleichgeschaltete Medien, ein Einheitsbrei in der Politik. Keine Differenzierung mehr, überall nur noch Menschen, die die Bürger bevormunden wollen. Im Eifer die vermeintliche Alternative politisch zu schwächen, bereitete gerade dieses Vorgehen den Nährboden für den Fortbestand der AfD. Hätten alle Parteien und Journalisten ihre Positionen nicht auch davon abhängig gemacht, was wohl die Rechtspopulisten sagen, dann wäre die politische Landschaft um ein Vielfaches differenzierter und pluralistischer geblieben. Es hätte keine weitere Polarisierung gegeben und heute müssten wir nicht mehr über die Rechtspopulisten diskutieren.

All das war, wie es war. Doch wie eingangs erwähnt, verändert das Virus die politische Landschaft. Ich will nicht apologetisch daherreden und behaupten man müsste auch dieser Situation etwas Positives abgewinnen. Dafür richtet das Virus einfach zu viel Schaden an. Doch es ist klar, Corona bewegt unsere Politik. Denn urplötzlich war pragmatisches Handeln gefragt. Wie soll man die Gesundheit der Bürger schützen? Wie soll man gleichzeitig die Jobs und die Vermögen retten? Eine schwere Aufgabe. Eine, die keinen Raum für Träumereien lässt, sondern konkrete Maßnahmen erfordert. Ein simpler moralischer Kompass reicht für die Lösung dieser Probleme nicht aus. Man muss konkret werden, über schnelle Maßnahmen reden. Kurzum, politische saubere und Arbeit leisten.

Deshalb trennt sich hier die Spreu vom Weizen. Unterschiede sind erkenntlich. Die SPD zeigt, dass sie pragmatische und handlungsschnelle Politiker in ihren Reihen hat. Gerade Scholz und Hubertus Heil fallen unter Weiteren auf. Gleiches trifft auf die CDU und vor allem die CSU zu. Hier ist sicherlich Markus Söder zu nennen. Der Politiker, der den Takt vorgibt. Er bekommt dafür parteiübergreifend Anerkennung. Die Grünen hingegen verlieren. Sie haben wenig bis gar nichts beizutragen und fallen eher mit Slapstick-Aussagen und absurden, von der Welt abgelösten Forderungen auf. Der zuvor einheitliche Block ist ganz und gar nicht mehr einheitlich. Konservative loben sozialdemokratische Politiker, Linke loben Politik einiger konservativer Politiker. Es geht in dieser existenziellen Krise um Positionen, um die richtigen Maßnahmen und nicht mehr nur um moralische Haltungen. Was dazu führt, dass die Grünen von der SPD zu unterscheiden sind. Und zwar elementar und nicht nur im Detail. Gleiches gilt für alle fast Parteien.

In dieser neu geordneten politischen Welt, die vielfältiger, komplexer und der Realität damit näher ist als zuvor, hat es eine Dagegen-Partei schwer. Schließlich stellt sie sich die Frage, wogegen sie denn jetzt sein soll. Es gibt keine eindeutige politische Front mehr. Was so ziemlich das Lebenselixier einer Partei ist, deren ganze Daseinsberechtigung im inhaltslosen Widerstand fußt. Aus diesem Grund wirken die Politiker der AfD momentan mehr als hilflos. Manch ein Mal versuchen sie zu provozieren, verbal Grenzen zu überschreiten, doch auch das bringt ihnen keine Aufmerksamkeit mehr.

Die Rechtspopulisten sind derart machtlos, weil sie keine inhatliche Politik können. Sie bieten rein gar nichts an und das wird dieser Tage so klar wie niemals zuvor. Schließlich konnten sie sich immer darauf berufen eine relativ junge Partei zu sein und nicht zu allem bereits Programme zu haben. Das Corona Virus hat alle Parteien unvorbereitet getroffen. Deshalb fällt hier die fehlende inhaltliche Qualität eniger Parteien auf. Ein direkter Vergleich ist möglich. Und bei diesem Vergleich offenbart die AfD ihre ganze Unfähigkeit echte Lösungen zu finden.

Man kann nur hoffen, dass nach Beendigung der Krise die anderen Parteien und die Journalisten nicht wieder den gleichen Fehler machen in ihrem Übereifer für „Das Gute“ einzustehen, der Differenzierung zu entsagen und die Unterschiede zueinander wieder verschwinden zu lassen. Denn nur so könnte die AfD wieder zu gewohnter Stärke zurückkehren.

 

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