Die Diskussion rund um das Corona-Virus ist zerfahren und polarisiert. So wie viele Debatten dieser Tage. Man kann das Gefühl bekommen, dass es zwischen bedingungsloser Verteidigung des Kurses der Bundesregierung auf der einen Seite und der Kritik der selbsternannten „Querdenker“ auf der anderen Seite kaum Raum gibt. Denn wie man sich auch äußert, der Vorwurf wahlweise Anhänger der „Merkeldiktatur“ (sic!) zu sein oder aber den „Falschen in ihrer Argumentation zuzuarbeiten“ ist nur ein falsches Wort entfernt. Normalisierende Kritik, die sich frei macht von der Angst vor allzu harschen Unterstellungen, ist umso wichtiger. Deshalb will ich damit anfangen. Anlass zu Kritik gibt es. Teil 2 meiner Corona-Kritik.
Kommunikation zu Beginn verständlich
Wenn man über die Corona-Politik in Deutschland redet, dann kommt nicht darum umher über die Kommunikation zu sprechen. Denn kaum etwas ging so schief, wie der häufig misslungene Versuch der Regierung mit seinen Bürgern zu reden. Das hat Folgen. Einerseits scheitert die Regierung mit ihren Vorhaben die Bürger vom richtigen Verhalten zu überzeugen, andererseits kann man sich als Bürger dieses Landes so langsam veräppelt vorkommen.
Aber mal der Reihe nach. Im Frühling, als das Virus noch neu und der Umgang damit verständlicher Weise von Unsicherheit geprägt war, ist es auch in Anbetracht unseres förderalen Systems nur verständlich, dass mitunter nicht vollständig konsistent kommuniziert wurde. Immerhin hat man es geschafft nachvollziehbar zu vermitteln, dass nun allen Menschen in der unbekannten Situation einen Beitrag leisten müssen. Dies auch über Landesgrenzen hinweg einheitlich, sodass man die allermeisten Menschen erreichen und auf schwere Zeiten einschwören konnte. So weit so gut.
Erste Fehler im Sommer
Mit dem Fallen der Infizierten-Zahlen im Sommer fing dann aber ein Verwirrspiel an. Denn spätestens mit dem Sinken der gefühlten Dramatik wurde COVID-19 zum Spielball für Machtspiele. Angeführt vom Machtkampf in der CDU/CSU. Besonders versuchten und versuchen Armin Laschet und Markus Söder sich für den Parteivorsitz und/oder die Kanzlerkandidatur zu profilieren. Der eine wollte und will als der starke Mann wahrgenommen werden. Der andere als Freund der wirtschaftlichen Vernunft. Unter anderem daraus entwickelte sich eine zu Teilen widersprüchliche und verwirrende Situation.
Aber auch das war noch nicht wirklich dramatisch. Schlimm wurde der kommunikative Stil erst, als die Zahlen zum Ende des Sommers langsam wieder stiegen. Die so lange gefürchtete und eigentlich allgemein auch erwartete zweite Welle war gewissermaßen die erste Welle der politischen Kopflosigkeit. Panik kam auf, die Erkenntnis die Sommerzeit nicht ausreichend genutzt zu haben durchdrang die Politikerköpfe, die nicht mehr nur parteiinterne Machtspiele im Kopf haben, sondern auch bereits an die Wahlen im kommenden Jahr denken. Der Anfang der Kommunikationskatastrophe.
Viel Panik und wenig Hoffnung
Auf einmal nämlich ging es nur noch darum zu beweisen, dass man das Virus ernst nimmt. Irgendwie, so zumindest mein Gefühl, ging es darum nur noch härter und noch härter zu sein. Ein gegenseitiges Übertrumpfen in Dramatik begann. Bundeskanzlerin Merkel zeigte den Weg vor. Uns stünden ganz harte, entbehrungsreiche Monate bevor. Andere betonten, dass an eine Besserung zu Ostern nicht zu denken sei. Armin Laschet setzt vor ein paar Tagen die Kirsche auf die Torte. Er sagte. „Es wird das härteste Weihnachtsfest, das wir seit Jahrzehnten erlebt haben“ und dramatisierte die Aussage später noch einmal und redete davon, dass es das „härteste Weihnachten“ sein würde, dass „Nachkriegsgenerationen je erlebt haben“. Mehr Drama geht nicht mehr.
Natürlich verstehe ich die Intention dahinter. Man versucht die Bürger von der Ernsthaftigkeit der Situation zu überzeugen. Doch der fast panische Ton bewirkt genau das Gegenteil. Gerade auch, weil es bislang tunlichst vermieden wurde auf das Licht am Ende des Tunnels hinzuweisen. Und das ist real. Die Impfung wird mittel- bis langfristig die Lösung der Krise bedeuten. Und dieses Ende ist absehbar. Weshalb diese positive Aussicht bislang kaum eine Rolle gespielt hat, erschließt sich mir nicht.
Auf jeden Fall bewirkt die sehr auf Dramatik und wenig auf die positive Perspektive ausgerichtete Kommunikation dazu, dass sich immer mehr Menschen nicht mehr an die Regeln halten wollen. Zunächst liegt nämlich der Gedanke nahe, dass ein Einhalten der Regeln keinen Unterschied mehr macht, wenn die Lage ohnehin aussichtslos ist. Ein Trugschluss klar, aber ein realer und allzu menschlicher. Wozu soll man zusammenreißen, wenn man ständig hört, wie hoffnungslos jede noch so große Anstrengung verpuffen wird?
Mündigkeit vs. Bevormundung
Ein Gedanke, der wiederum vordergründig erst einmal an der Mündigkeit des so denkenden Bürgers zweifeln lässt. Schließlich sollte doch jedem Menschen klar sein, dass man, selbst wenn man die Lage durch das eigene Handeln nicht monumental verbessern kann, doch eine positive Wirkung auf die Virusausbreitung haben kann und mein eigener Beitrag sinn- und wertvoll bleibt. Und so dachte man wohl auch in der Regierung. Wieso zum Teufel verstehen die Menschen die Notwendigkeit der Maßnahmen nicht mehr? Ganz einfach weil aussichtslose Hoffnungslosigkeit ein mächtiger Feind ist. Ein Feind, den man sich mit der grausligen und übereifernden Kommunikation selbst erschaffen hat.
Nun aber gibt es sie: Die unmündig und verantwortungslos handelnden Bürger. Daran stört sich eine Regierung, die eine auf einheitliches Handeln setzen muss, selbstverständlich. Der größte Fehler wäre jetzt aber auf die Unmündigkeit mit mehr Bevormundung zu antworten. Man darf nicht vergessen, dass nach wie vor der größte Teil der Bevölkerung die eigene Verantwortung wahrnimmt und in mündiger Manier lebt. Eine bevormundende Rhetorik der Ermahnung, ein Prinzip, das von meist in Beziehung von Oben nach Unten Verwendung findet, ignoriert dies.
Offensichtliche Halbwahrheiten
Denn einerseits hat die Politik die Bürger, also den Souverän, grundsätzlich nicht zu ermahnen. Eine solche Einstellung würde Zweifel am grundsätzlichen Verständnis der Ermahnenden wecken. Aber noch viel wichtiger ist der Umstand, dass die Ermahnung eben auch jene Mehrheit trifft, die sich an alles halten, sich bemühen und finanzielle und persönliche Einbuße akzeptieren. Also zuweilen krasse Opfer bringen und deren Job es eben nicht nur ist, wie in lustig gemeinten Werbespots der Regierung dargestellt, faul herumzuliegen.
In Zeiten echter Entbehrung muss man als Politik die Bürger ernst nehmen und auf Augenhöhe bleiben. Dass dies nicht immer der Fall ist sieht man unter anderem an der nicht immer auf der vollen Wahrheit basierenden Informationslage. Den zweiten Lockdown kündigte man als hart aber kurz an. Man sprach davon, wie wirksam so ein Wellenbrecher doch sein würde und schwor die Bevölkerung auf die Entscheidung ein. Dann kam der Lockdown-light, dessen Ende nur kürzeste Zeit nach Inkrafttreten von Politikern wie Brinkhaus relativiert wurde. Aus mehrfach wiederholten vier Wochen wurde in kürzester Zeit ein: „Haben wir so nie gesagt!“. Doch, habt ihr. Auf solche Weise, die eben kein Ausdruck von Augenhöhe, Respekt und Verständnis ist, schafft man weder Vertrauen noch Akzeptanz. Mehr noch, das Gefühl, dass mündige Bürger nur als Menschen gesehen werden, die man mal auf diese und mal auf jene Weise beeinflussen kann.
Zwischen Hoffnung und Frustration
Wenn man den Mündigen die Mündigkeit abspricht, wenn man die Verantwortungsvollen bevormunden will, dann besteht die berechtigte Befürchtung, dass dies zu noch weitaus größerer Frustration sorgen und weiteren Trotzreaktionen führen kann. Ich habe zwar mittlerweile das Gefühl, dass sich die Kommunikation langsam normalisiert, wohl auch getrieben durch die positiven Nachrichten in Sachen Impfstoff. Doch will man weiterhin eine verantwortungsvolle Bevölkerung haben, so muss die Kommunikation zwangsläufig auf Augenhöhe verlaufen. Aussichstlos ist unsere Lage nicht und das war sie auch nie.
Will man so viele Menschen wie möglich von Maßnahmen überzeugen, dann muss man unbedingt aufzeigen: Das Licht am Ende des Tunnels ist real und es wird heller. Kann man nämlich ein Ende absehen, dann lassen sich lange und harte Monate deutlich besser überstehen, als wenn ohnehin alles hoffnungslos ist. Hoffnungslosigkeit sorgt für Frustration und Mutlosigkeit. Und wenn es eine Sache gibt, die wir nicht brauchen können, dann ist das noch mehr Frustration.