Liebe CDU, so kann es nicht weitergehen – warum ein Merz’scher Richtungswechsel wichtig wäre

Mit der Wahl Laschets zum neuen Vorsitzenden hat die CDU eine große Chance vertan. Denn eigentlich ging es um mehr als nur eine Wahl. Vielmehr wurde eine Richtungsentscheidung getroffen, deren Bedeutung weit über die Parteigrenzen hinaus wirken wird.

Dabei hatten die stimmberechtigten Delegierten die Wahl zwischen einer vollständigen Richtungsänderung (Merz), einer Richtungsänderung light (Röttgen) oder einer Fortführung des momentanen CDU-Kurses unter Kanzlerin Merkel mit ihrem engen Vertrauten Armin Laschet. Nachdem Röttgen im ersten Wahlgang ausschied und sich die Stimmen von Laschet und Merz die Waage hielten, war klar, dass der Großteil der Anhänger von Röttgen sich gegen einen zu großen Richtungsumschwung entscheiden würden. Laschet gewann. Eine schlechte Entscheidung.

Viel Kritik – wenig inhaltlicher Diskurs

Viele rümpfen ob einer solchen Bewertung die Nase. Kaum ein Mensch hat zuletzt so die Gemüter erregt wie Friedrich Merz. Man sagt ihm nach er hätte es nicht so mit Frauen; er sei Turbokapitalist und habe keinen Kontakt mehr zu den Menschen der Mittelschicht. Insgesamt wird und wurde so viel über die Person Friedrich Merz gesprochen und hergezogen wie lange über keinen anderen Politiker oder keine andere Politikerin mehr. Große Teile dieser Kritik sind jedoch strikt nicht inhaltlich und beziehen sich nicht auf Aussagen im Hier und Jetzt, sondern auf die der Vergangenheit. Eine Methode, die bei anderen Politikern weniger bedient wird. Es gibt, wenn man auf das Hier und Jetzt schaut, nämlich viele Argumente, die für eine zukünftige Einbindung von Merz sprechen.

Zu viel politische Einigkeit bedeutet gesellschaftlichen Unfrieden

Der vielleicht wichtigste Punkt ist wohl der, dass Merz für viel politische Reibung sorgt. Manch einer mag jetzt sagen: „Moment! Wir wollen keine Polarisierung, wir wollen doch Einheit. Da kann er nicht die Lösung sein.“ Dabei wird allerdings übersehen, dass politische Reibung etwas gänzlich anderes ist als gesellschaftliche Polarisierung. Anders noch. Je mehr (inhaltliche) politische Reibung es gibt, je mehr also Politiker mit aller Härte und Fairness um ihre Positionen kämpfen und dafür auch mal in Opposition zu Parteioberen gehen, desto friedlicher ist die politische Gesellschaft, deren Überzeugung sehr unterschiedlich und nicht immer unter einen Hut zu bringen ist, aber zumindest in ihrer Gänze wahrgenommen und besprochen werden muss. Herrscht nun zu viel politische Einigkeit; kann sich die Politik zu häufig auch parteiübergreifend auf eine bestimmte Position einigen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein größerer Teil der Bürger nicht mehr beachtet fühlt. Und genau dieses Gefühl ist es unter anderem, das eigentlich vernunftbegabte Menschen in die Arme von Extremisten treibt. 

Unkritische Oppostion

Und obwohl es gerade diese Eigenschaft der Kanzlerin ist, die viele an ihr schätzen, ist Merkels Fähigkeit nicht nur in der CDU unangreifbar zu sein, sondern eben auch weite Teile anderer Parteien für sich gewonnen zu haben, gleichzeitig ihr wunder Punkt. Positiv besetzt würde man hierbei von einer Fähigkeit zur Einigkeit sprechen. Davon, dass Kanzlerin Merkel für einen gemeinsamen und depolarisierenden Kurs steht. Kritische Stimmen hingegen würden anmerken, dass es ihr dadurch ebenso gelungen ist sich elementarer Kritik zu entledigen. Was durchaus bemerkenswert ist. Weder von den Grünen, der SPD oder der FDP kommt wirklich mal ein echter Gegenkurs zu den Entscheidungen der Regierung. Was sich in der Zeit, in der das Corona-Virus unseren Alltag beherrscht, wie unter einem Brennglas zeigt. Kritik, sollte sie einmal aufkommen, wird sogleich eingefangen. Nicht nur von der Kanzlerin, die nur im äußersten Falle als letzte Instanz auftritt, sondern ebenso von der eigentlichen Opposition. Dass sich die Opposition zumindest teilweise in der Pflicht sieht den Kurs der Regierung zu unterstützen, dürfte ein noch nie dagewesenes Phänomen der jüngeren Geschichte sein.

Ein ungutes obendrein. Denn die neue große Einigkeit der deutschen Politiker, abgesehen von einer tölpelhaften und rechtsradikalen AfD, die weder sich selbst noch ihre Anhänger ernst nimmt, hat Konsequenzen. Bei so wenig politischer Reibung und Debatte – im Prinzip wird nur noch beschlossen und nicht mehr diskutiert – bleiben zwangsläufig viele berechtigte Einwände gegen den Kurs der Regierung unberücksichtigt. Viele politische Gedanken werden nicht mehr gehört und können somit nicht mehr aufgefangen werden. Ein breites Spektrum an Meinungen findet in einer politischen Landschaft der Einigkeit keine Repräsentation mehr. Und genau das ist ein schwerwiegender Fehler der heutigen Politik. Einer, der eine Menge Sprengstoff birgt.

Wenn das Glas nur voll oder leer sein kann – Die Polarisierung schreitet voran

So absurd es im ersten Moment auch klingen mag, aber: Die große Einigkeit in der Politik hat eine gespaltene Gesellschaft zur Folge. All jene, die zwar unzufrieden, aber durchaus vernünftig sind, die Mehrheit der Unzufriedenen würde ich meinen, muss sich nun, wenn sie denn Kritik äußert, mit der Zurechtweisung abfinden, dass ihre Kritik schädlich sei. Für die Demokratie, für die Virusbekämpfung oder was auch immer. Wer nicht mit an einem Strang ziehe, übersetzt heißt das die Entscheidungen vollends zu unterstützen, verhalte sich unverantwortlich. Angeführt vom geeinten Tenor der Regierung und Opposition spielen letztlich und zwangsläufig auch viele Bürger das gleiche Lied. Entweder du stimmst zu oder du hast es nicht verstanden und solltest deshalb nichts sagen. So entsteht eine diskussionsfeindliche Atmosphäre in unserer Gesellschaft. Es gibt dann auf einmal nur noch richtig oder falsch. A oder B. Nur noch voll oder leer. Kein dazwischen. Und genau das nennt sich dann Polarisierung, infolgedessen sich eigentlich kluge Menschen, um überhaupt noch Gehör zu finden, von extremeren Positionen und Rattenfängern leichter verführen lassen.

Elementarkritik sorgt für dringend notwendigen Diskurs

So weit, so gut. Aber wie kommt Merz ins Spiel? Ganz einfach. Er ist seit langem wieder ein Charakter, ob man seinen Ideen und Vorstellungen nun zustimmt oder sie ablehnt, der sich nicht scheut die große Einigkeit anzugreifen. Auch gegen den Widerstand der Kanzlerin und gegen den Widerstand der Opposition. In anderen Zeiten wäre dies ein normaler Vorgang gewesen. Momentan kommt Elementarkritik jedoch einer kleinen politischen Revolution gleich. Denn mit einer solchen bricht Merz in all seiner Starrköpfigkeit und Deutlichkeit mit dem vorherrschenden Credo, dass nur eine vollständig geeinte Politik die richtigen Lösungen parat hat.

Merz steht für eine Rückkehr zu harten Debatte. Eine, die auch wieder diesen Namen verdient hat. Er bewerkstelligt dies unter anderem indem er Punkte anspricht, die eigentlich einmal konservativer Konsens waren, heute aber selbst in der CDU umstritten und verhandlungsfähig scheinen. Zum Beispiel indem er daran erinnert, dass alles, was man ausgibt, irgendwie auch erwirtschaftet werden muss. Aber auch mit seiner unverblümten Art Dinge auszusprechen, die einen Shitstorm auf Twitter zur Folge haben oder Personen zu kritisieren, die sich eigentlich jeder Kritik erhaben fühlen. Aber auch durch seinen Fokus auf internationale Belange bringt er Impulse, die im Moment kaum stattfinden.

Den Blick auf die großen internationalen Herausforderungen gerichtet

Wenn er beispielsweise auf die Gefahr, die von der neuen Weltmacht China ausgeht, hinweist, welche Bestrebungen hat die dominierende Rolle im Weltgeschehen zu übernehmen, stößt er die Tür zu einem leider noch vollkommen leeren Raum auf. Je länger wir uns aber den internationalen und harten Realitäten verweigern, desto schwieriger wird es Lösungen und Strategien zu erarbeiten. Entgegen der Wichtigkeit findet das Thema China, ein Land in dem es Umerziehungslager zur Säuberung ganzer Völker gibt (!), bei uns einfach nicht statt.

Doch es wird stattfinden müssen, wenn wir unseren Wohlstand und unsere weltpolitische Stellung zumindest behalten wollen. Es geht gar nicht so sehr um Merz als Person als um die von ihm gegebenen Impulse, die ihn zu einer Symbolfigur eines Wandels machen, der keineswegs so rückwärtsgewandt ist, wie momentan behauptet wird. Da Friedrich Merz einer der ganz wenigen Politiker ist, die die Dringlichkeit dieser Themen auch mal über einige Ecken hinweg nachvollziehen können, wäre es gut für die CDU und auch für das ganze Land ihn oder einfach nur seine Impulse in irgendeiner Form mit einzubinden.

 

Ein Kommentar

  1. udo Paulus · Januar 18, 2021

    Hallo Leise Stimme.
    Merz ist ein kleiner Trump. Ihm fehlt jegliche Emphatie und Bezug zu den „kleinen Leuten“. es ist total fehl am platze.
    Sozusagen bin ich froh „das der Merz zu ende geht“. so einer bracht kein Mensch und keine Partei.

    Dem Merz wird’s langsam kalt!
    Es Rüttgert und Laschert im Wald!
    So sah er sich doch ungeniert,
    als Kronenprinz platziert.

    Der CDU-Gaul wollte er reiten,
    zu neuen Uferlose Zeiten.
    Doch stimmte es mit der Stimmung nicht,
    weil sein Gaul die Hürde bricht.

    So fiel er mit dem geglaubten geschenkten Gaul,
    aufs Maul.
    Mit Verstimmung im Gedärme,
    hält er den Gaul im Arme,
    und stell fest,
    dass man ihn entlässt.

    Die Moral von der Geschicht:
    Auch Merz, der Prinzenwicht,
    hat ohne Frage,
    seine gezählten Tage.

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