Der Krisenkonzern VW kündigt den Tarifvertrag mit IG Metall. Ab Juli 2025 sind damit unter anderem betriebsbedingte Kündigungen möglich und auch die Übernahmegarantie für Auszubildende entfällt. Eine dramatische Zäsur – und das nicht nur für die Belegschaft.

Seit jeher steht VW für die erfolgreiche deutsche Industrie und war immer auch ein Symbol für das, was Deutschland stark gemacht hat. Nun ächzt der Konzern und mit dem Unternehmen auch unzählige Zulieferer, denen nach und nach Aufträge wegbrechen. Wenn es Konzernen wie VW schlecht geht, dann leidet auch der deutsche Mittelstand und damit das ganze Land. Über die Jahrzehnte haben sich um jeden größeren Konzern, speziell wenn er Produkte herstellt, die aus vielen Einzelteilen bestehen, eine riesige Industrie aufgebaut von hoch spezialisierten Mittelständlern. Deshalb ist ein schwächelndes Volkswagen nicht nur schlecht für die Mitarbeiter, sondern auch für die Zulieferer und deren Belegschaft.

Hat VW Schuld oder doch die Politik?

Deshalb ist die Krise von VW Sinnbild für eine höchst alarmierende Entwicklung. Dass Industrie in Deutschland immer schlechtere Voraussetzungen beklagt, sich zur Abwanderung gezwungen sieht oder gar um die Existenz bangen muss. Wenn wir über das Beispiel VW sprechen, dann gibt es naturgemäß viele Ansichten zu den Ursachen. Einige sagen, dass VW einfach verschlafen hat rechtzeitig auf E-Mobilität umzusatteln und geben damit VW die Schuld. Andere sprechen sarkastisch vom grünen Wirtschaftswunder und weisen damit der Politik die Schuld zu. Und beide Seiten haben ein Bisschen recht.

VW einerseits hat durch das Festlegen auf E-Mobilität alles auf eine Karte gesetzt; und für einen Markt produziert, den es in Deutschland bislang nur in kühnen Vorstellungen aber noch nicht in der Realität gibt – und der in China riesige Konkurrenz hat. Man muss konstatieren, dass der Absatz und das Interesse in Europa nicht ansatzweise so schnell und deutlich gestiegen ist, wie man dies geplant hatte. Die bittere Realität ist nämlich: Mit dem Auslaufen der Förderungen sinkt auch das Interesse an E-Autos drastisch. Kein Wunder bei Autos deren Preis-Leistungs-Verhältnis einfach (noch?) nicht stimmt. Die schwerwiegende Verfehlung von VW liegt darin, dass die ganze E-Strategie auf einer sehr ungewissen Vorhersage basiert. Eine Vorhersage, die sehr viele Variablen beinhaltet, die VW selbst kaum beeinflussen kann.

VW kalkuliert mit zu vielen Variablen – verhängnisvolle Naivität

Wie schnell Deutschland beispielsweise die Ladeinfrastruktur ausbauen würde, liegt nicht in der Hand von VW; ob die Regierung die Förderung für E-Autos verlängert liegt nicht in der Hand von VW und ob es Strafzölle für internationale Konkurrenz geben würde, liegt ebenfalls nicht in der Hand von VW. Doch all das sind elementar wichtige Aspekte, bei denen es Sicherheit geben muss, wenn man alles auf das E-Pferd setzen will. Ohne diese und andere Variablen großartig beeinflussen zu können und dann alles auf diese eine Karte zu setzen, das ist hochriskant und damit nichts anderes als verantwortungslose Unternehmensführung. Mehr noch: Es ist auch Naivität. Denn jeder dieser hochbezahlten Manager müsste kompetent genug sein, um zu verstehen, dass Versprechungen aus der Politik sich gerne auch mal nicht bewahrheiten. Gerade in Hinsicht auf die Ladeinfrastruktur hätte klar sein müssen, dass Deutschland Schwierigkeiten haben würde hier im versprochenen Tempo zu liefern.

Ein Konzern wie VW hätte niemals so handeln dürfen, sondern sich an der tatsächlichen Nachfrage orientieren müssen. Die Produktion gleicht sich einer veränderten Nachfrage dann Stück für Stück an. Insbesondere muss bei solchen Entwicklungen, die sicherlich nicht einfach zu bewerten sind und bei der von überall Druck ausgeübt wird, das Risiko gestreut werden. Wer sagt und auch schon vor 6-7 Jahren behauptete, dass es in der Zukunft nichts anderes als E-Autos geben wird, ist entweder Hellseher oder aber macht sich nicht ganz ehrlich. Niemand ist dazu in der Lage dies vorherzusagen. Auch nicht, wenn es von der Politik gewollt ist. Es ist überhaupt nicht absehbar, wie sich welche Technologie noch entwickelt und wie konkurrenzfähig sie sein wird. Deswegen wäre VW gut beraten, das Risiko zu aufzuteilen und zu schauen, wo sich welche Nachfrage entwickelt.

E-Mobilität in der Hand Chinas – es geht um unseren Mittelstand

Die Politik selbst hat neben der Infrastruktur und der Energiepolitik vor allem eine Sache bezüglich VW verbockt: Die geostrategische Industriepolitik. Es war ein sehr großer Fehler die Verbrennertechnologie zu verbannen. Denn mal ab von der physikalischen Frage der Energieeffizienz, ist das, was die EU beschlossen und Deutschland mitgetragen hat, in industrieller Hinsicht geostrategischer Irrsinn. Zunächst einmal werden große Teile der Wertschöpfungs- und Lieferketten der E-Mobilität von China kontrolliert. Die zuvor angesprochenen Zulieferer in Deutschland und Europa, sind sehr spezialisiert. D.h., es gibt viele Mittelständler, die keine Kunden mehr haben, wenn auf einmal keine Verbrenner mehr produziert würden. Diese Zulieferer können nicht einfach umsatteln und statt Motorteile auf einmal Batterieteile bauen. Nein, sie werden ersetzt durch andere Zulieferer, von denen viele dann nicht mehr in Deutschland ansässig sind.

Manch einer mag jetzt meinen, ‚Naja, so ist nun einmal der Lauf der Dinge. Wer sich nicht anpasst, der verschwindet‘. Nagut, man mag diese etwas kalte Sichtweise mit damit begründen, dass Veränderungen auch immer Kollateralschaden nach sich ziehen. Jedoch: Eine Regierung, die die Interessen der eigenen Bevölkerung zu vertreten hat, kann diesen Kollateralschaden jedoch nicht einfach so hinnehmen. Es wäre Teil einer bis zu einem Mindestmaß protektiven Wirtschaftspolitik, einer solchen Entwicklung vorzubeugen.

Gefährliche Abhängigkeit von einer Autokratie

Ein weiteres Problem damit, dass die Wertschöpfungs- und Lieferketten zu großen Teilen von China kontrolliert werden, ist folgendes. China ist keine Demokratie und was es für Konsequenzen hat sich von Autokratien abhängig zu machen, haben wir unlängst in der Gaskrise festellen dürfen. Wenn wir nur auf E-Autos setzen, dann machen lassen wir zu, dass China auf Knopfdruck über die Preise, das Angebot, die Zugänglichkeit und damit auch die wirtschaftliche Situation in Deutschland und Europa mitbestimmen kann. Eine solche Abhängigkeit wäre mehr als riskant und würde spätestens auf uns zurückfallen, wenn China die Schrauben enger drehen will.

In der Verbrennertechnologie hingegen ist Europa, speziell Deutschland, führend. China ist es trotz großer Bemühungen und diverser Aufkäufe von Mittelständlern auch nicht gelungen diesen Vorsprung aufzuholen. Zulieferer kommen zu größeren Teilen aus Europa und das würde sich so schnell auch nicht ändern. Denn die Geschäftsbeziehungen der Zulieferer und Konzerne sind über Jahrzehnte gewachsen, das Vertrauen ist groß und deshalb würde es China schwer fallen, diese zu vereinnahmen. Wenn – ja, wenn denn da nicht der große Umschwung auf E-Mobilität käme, dem viele dieser heimischen Zulieferer zum Opfer fallen würden. Unser Know-How liegt nicht in einzelnen Köpfen, sondern verteilt sich auf die Vielzahl dieser Spezialisten.

Zwischen Wohlstandserhalt und Geopolitik

Nun die Technologie zu verbieten, die uns einen Wettbewerbsvorteil verschafft und uns stattdessen komplett auf eine Technologie festzulegen, bei der wir mehr oder minder in der Hand Chinas sind, ist selbstzerstörerisch. Für China ist das natürlich klasse. Denn selbst wenn es einige Mittelständler schaffen sollten umzusatteln, dann kontrolliert China dennoch deren Geschäft. Auch die Rohstoffe werden zu einem nicht geringen Teil von China kontrolliert. Demnach profitiert China nicht nur wirtschaftspolitisch, sondern auch in Hinsicht auf die Geopolitik, weil die Autokratie in jedem Fall einen starken Hebel gegen uns bekommt.

Verantwortungsvolle Politik würde einen Wettbewerb der Technologien zulassen. Und wenn sich die E-Mobilität am Ende durchsetzt, wunderbar. Wenn nicht, dann nicht. Uns aber frühzeitig derart festzulegen, uns von China abhängig zu machen, das wird langfristig noch viel schlimmere Auswirkungen haben als die derzeitige Krise bei VW. Wir werden weiter an wirtschaftlicher Kraft verlieren und müssen außerdem damit rechnen, dass China den Hebel gegen uns dann auch irgendwann nutzen wird. Spätestens, wenn es darum geht unseren Widerstand bei einem Taiwan-Krieg zu brechen. Nur ein freier und offener Wettbewerb kann garantieren, dass sich das Beste am Schluss auch durchsetzt. Und bei aller Selbstkritik kann man dennoch selbstbewusst sagen: Das Beste wird wahrscheinlich wieder „Made in Germany“ sein.

Die Regierung hat einen klaren Handlungsauftrag

Alles, was es dafür braucht ist eine Regierung, die das versteht, unsere Wirtschaft schützt und sich zur Not auch gegen die EU durchsetzt. Deutschland muss sich, wenn es um den Schutz der heimischen Industrie und der Arbeitsplätze geht, für Technologieoffenheit einsetzen. Wenn die Regierung nur die richtigen Rahmenbedingungen vorgibt, die einen fairen Wettbewerb ermöglichen können, dann wird es auch wieder nach oben gehen. Dafür muss sie sich jetzt aber erst einmal dafür einsetzen, dass das EU-Verbrennerverbot wieder gekippt wird. Als allerersten Schritt.

Wenn aber dies nicht geschieht und die politische Entwicklung der fahrlässigen und wenig geopolitisch orientierten Industriepolitik so weitergeht, wird am Ende nur eine Krise die nächste jagen. Wollen wir hoffen, dass es nicht so weit kommt. Denn möglich ist alles.

Eine Antwort zu „Deutsche Industrie in Gefahr: Über die VW Krise, E-Mobilität, Politikfehler und das Verbrennerverbot”.

  1. […] hat, dass sie sich von anderen Parteien abgwandt haben. Ob es sich um Zuwanderungs– oder Wirtschaftspolitik handelt, es gäbe viel zu analysieren. Weil etliche Fehler gemacht worden sind und auch jetzt noch […]

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