Iranischer Raketenhagel, zeitgleich Terrorismus auf den Straßen Tel-Avivs. Die Angriffe, die sich fast immer gegen die Zivilbevölkerung in Israel richten, sind heftig. Abseits der Ukraine, kann sich wohl kein Land vorstellen wie das ist. In ständiger Bedrohung zu leben. Sich immer im Klaren zu sein: Aus dieser Straßenbahn könnte jemand aussteigen, der mich umbringen will. Im nächsten Moment könnte eine Rakete, die es durch den Iron Dome geschafft hat, mein Zuhause zerstören. Und doch lösen diese Verbrechen häufig nicht mehr viel mehr als ein Schulterzucken aus.
Im Gegenteil. Viele Menschen in unserem Land geben Israel nach solchen Ereignissen zumindest indirekt die Schuld. Schließlich hätte Israel mit der begrenzten Bodenoffensive gegen die Hisbollah die Situation eskaliert und die Aktion des Iran wäre nur eine Art „logische Reaktion“ gewesen. Es sind unter anderem ranghohe Politiker, die sich in dieser Art äußern. So ließ Außenministerin Baerbock unter anderem verlauten, dass die Tötung vom Anführer der Hisbollah „in keinster Weise im Interesse der Sicherheit Israels“ gewesen wäre. Sie und andere Spitzenpolitiker drücken sich immer wieder so aus, dass einem ernste Zweifel aufkommen, wie standfest wir noch zu unserer viel besungenen Staatsräson stehen.
Ich glaube das Problem ist, dass vielen, die sich in dieser Art äußern, nicht den Kontext des Konflikts sehen. Sie schauen auf das Klein-Klein. Sie sind so tief versunken in den Details der Tagespolitik, dass sie den Blick für das Übergeordnete schon lange verloren haben.
Eine immer währende Bedrohung
In der Geschichte Israels, die sehr weit über den 14.05.1948 hinausreicht, ging es immer um existentielle Bedrohungen. Ein Krieg folgte auf den anderen. Immer initiiert von Kräften, die nur ein Ziel im Kopf hatten: Die Existenz des Landes zu beenden. Immer wieder konnte sich Israel zwischen zwei Optionen entscheiden. Sich mit aller Kraft zu verteidigen oder den eigenen Staat aufgeben.
Diese akute und existentielle Bedrohungslage zeigte sich nicht nur im Sechs-Tage-Krieg, dem Jom-Kippur-Krieg oder den Intifadas, sondern besteht ununterbrochen. Dies haben wir beispielsweise am 07. Oktober 2023 gesehen, als eigentlich Frieden herrschte; der dann aber durch einen unvermittelten und brutalen Akt des Hasses beendet wurde. Das Zeichen, das von einem solchen Verbrechen ausgeht ist, dass sich Israelis in ihrem Land niemals sicher fühlen können. Dass sie immer auf der Hut sein müssen. Und das Unbekümmertheit und wankende Wachsamkeit im Zweifel zum Tode führt.
Diese Gewissheiten sind das Ergebnis der immer währenden Bedrohung, die sich immer dann in Taten verwirklicht, sobald sich den Feinden der Israelis die Gelegenheit ergibt. Es ist die brutale Gewissheit, dass Israel nur dann existieren kann, wenn es wachsam ist und jeder Bedrohung unmittelbar begegnet.
Unsere Ignoranz ist ein Luxus, den sich Israel nicht leisten kann
Es ist ein Luxus, den wir haben. Uns betreffen die Konflikte, die wir durch unser Appeasement größer werden lassen, nicht direkt. Weder sind wir direkt betroffen, wenn wir die Ukraine am langen Arm verhungern lassen noch fühlen wir die Einschläge iranischer Raketen. Wir können es uns leisten wahlweise zu ermahnen oder uns der klugen Diplomatie zu rühmen. Wir haben den Luxus die Realitäten der Welt auszublenden, um uns dabei moralisch gut zu fühlen.
So wie auch die Ukraine, kann Israel sich diesen Luxus nicht leisten. Wenn Israel sich nicht verteidigt, nicht jede Bedrohung im Keim erstickt und nicht stets wachsam ist, dann wird es das Land nicht mehr geben. Es geht um das blanke Überleben und um nichts anderes. Das ist die eine Gewissheit, die allem anderen zugrunde liegt.
Die Verkommenheit im Pazifismus entfremdet uns von Israel
Unser Verfehlen ist, dass wir nicht einmal mehr versuchen diese harte Realität zu verstehen. Vielleicht weil wir uns durch die lange Zeit des Friedens eine Illusion der eigenen Unverwundbarkeit aufgebaut haben, die wir um nichts auf der Welt verlieren wollen. Oder wir wollen nicht mit den pazifistischen Grundsätzen brechen, welche uns als Republik, die sich seit der Gründung nie wirklich selbst verteidigen musste, immer lehrte, dass Waffengewalt böse ist. Allgemein. Krieg ist immer schlecht.
Das ganz große Problem des Pazifismus ist, dass er keinen Unterschied macht zwischen Täter und Opfer, Angreifer und Verteidiger. Die einzige Trennlinie des Pazifismus ist, wer schießt und wer nicht. Schüsse zur Verteidigung sind genauso schlecht wie die der Angreifer. Das ist die verkommene Grundlage einer Denkrichtung, die uns solange das wohlige Gefühl der Richtigkeit vorgaukelt, wie wir uns nicht selbst verteidigen müssen. Der Pazifismus Deutschlands steht im absoluten Gegensatz zur Realität kriegsbetroffener Länder, die einfach nur in Frieden existieren wollen. Deswegen gibt es in Deutschland auch so wenig Verständnis für die Notwendigkeiten, denen sich Israel ausgesetzt sieht. Der Pazifismus hat uns bis zur Unkenntlichkeit von Israel entfremdet.
Pazifismus als Teil einer fehlgeleiteten Vergangenheitsbewältigung
Wenn man noch tiefer graben würde, dann würde man wohl feststellen, dass der Pazifismus Deutschlands keine Lehre aus dem 2. WK ist, sondern ein Schutzreflex. Denn in einer Denkart, in der man nicht zwischen Täter und Opfer unterscheidet, sondern Gut und Böse nach Schießen oder nicht Schießen unterscheidet, spricht sich ein Volk, das früher einmal eindeutig Täter und Aggressor war, irgendwie auch frei von der eigenen Schuld. Weil geschossen haben die Alliierten ja auch. Mit dem tragischen Resultat, dass wir nun jene, die damals Opfer unserer Verbrechen waren, für ihre Wehrhaftigkeit verurteilen.
Wie dem auch sei. In dem Krieg gegen die Hamas und dem Vorgehen gegen die Hisbollah, geht es in diesem Zusammenhang ausschließlich darum Bedrohungen zu beseitigen, bevor sie wirklich existenziell werden können. Israel eskaliert weder mit dem Krieg gegen die Hamas, noch mit dem Vorrücken gegen die Hisbollah. Israel muss reagieren und handeln, sobald und solange es möglich ist. Also proaktiv und nicht nur reaktiv. Weil jedes Zögern und jede Unachtsamkeit das Ende bedeuten könnte. Gegen einen Feind, der einzig von Vernichtungswillen getrieben wird, hilft nur unedingter Verteidigungswille. Auch wenn es für all jene, die diese Zusammenhänge ausblenden, schwer zu verstehen sein mag; und ein militärisches Vorrücken nicht wie Verteidigung aussehen mag, aber genau das ist es.
Eine Lehre, die zu verstehen wir uns weigern
Kein Land dieser Welt würde es akzeptieren, dass ganze Landstriche auf Dauer unbewohnbar werden. Andauernd schießt die Hisbollah Raketen auf Nordisrael, viele Menschen mussten ihr Zuhause verlassen und sind Vertriebene im eigenen Land. Man stelle sich vor Kuba würde Florida beschießen, sodass Miami unbewohnbar ist. Würden die USA das hinnehmen oder die Bedrohung beseitigen? Würde China Beschuss aus der Mongolei akzeptieren?
Letztlich lässt sich wohl sagen, dass Israel seit Anbeginn eines verstanden hat. Probleme und Bedrohungen wachsen, wenn man sie ignoriert. Bis sie irgendwann so groß geworden sind, dass man ihnen nicht mehr Herr werden kann. Sie klein zu reden, zu ignorieren oder sie zu appeasen, führt zur letztlichen Eskalation ins Unendliche. Eine Lehre, die die deutsche pazifistische Seele aus Selbstschutz ablehnt. Das ist es, was uns immer weiter von der Realität der Kriegsopfer entfernt. Unser wohlfeiler Pazifismus ist das Gegenteil der Lehre ist, die wir aus dem zweiten Weltkrieg ziehen müssen. Israel muss sich verteidigen und macht dies glücklicherweise auch sehr erfolgreich. Gesegnet ist wahrlich, wer sich bei der Verteidigung nicht auf einen pazifistischen Verbündeten verlassen muss.




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