Gehört der Islam zu Deutschland? Keine Frage des Glaubens.

Die AfD auf verlorenem Posten. Mit Abschwächung des Zustroms der Flüchtlinge verliert sie ihr Kernthema. Jenes Thema, welches der AfD Wähleranzahlen ermöglicht hat, wie ich es niemals für überhaupt möglich gehalten hätte. Das Ausbleiben der Flüchtlinge stellt die AfD vor ernsthafte Probleme. Intern gab es bestimmt nicht wenige, die darauf gehofft hatten, dass die Flüchtlinge zumindest bis zur nächsten Wahl in unveränderter Zahl nach Deutschland kommen. Jedoch bleibt dieser Wunsch aus heutiger Sicht wohl unerfüllt. Auch wenn man sich um das Für und Wider der Politik zur Flüchtlingskrise sicherlich streiten kann.

Aber was macht nun eine monothematische Partei, die im Begriff ist selbst das „Mono“ zu verlieren? Mit anderen politischen Inhalten beschäftigen? Mal über Bildungspolitik reden oder über die Sicherstellung der Renten über eine Legislaturperiode hinaus? Nee. Man darf doch wohl bitten. Das machen ja schließlich schon die „Altparteien“ (bezüglich der Renten eher schlecht als recht) und von denen will man sich abgrenzen. Immer schön beim Thema bleiben. Wenn es nicht mehr genügend Flüchtlinge gibt, mit deren Ankunft man immer munter weiter den Weltunterga…, ich meine den Untergang des geliebten Vaterlandes verbinden kann, dann muss eben was Themenverwandtes her. Und da kommen die Flüchtlinge wieder ins Spiel. Irgendeine Verbindung findet sich immer.

Da klassischer Rassismus, der mehr die Hautfarbe ins Auge fasst, schon von den Amerikanern (Weltschwörer) besetzt und daher verpönt ist, muss die Religion herhalten. Der Islam als Feindbild funktioniert wunderbar. Die Diskussion über den Islam scheint das Zeug zum neuen Kernthema der AfD zu haben. Sie stellen bzw. verneinen prinzipiell die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehört. Schließlich sei Deutschland ein christlich und jüdisch geprägtes Land. Der Islam ist bloß eine Ideologie und will uns alle unterwerfen. Deshalb, so glaubt man in der AfD, gehört der Islam nicht zu Deutschland.
Wie so oft keine ausreichende Antwort auf eine mehrdimensionale Frage.

Die Antwort auf diese Frage ist einerseits mehrdimensional, weil auch der Islam an sich mehrdimensional ist. Andererseits, weil es gilt zwischen Religion und Gläubigem zu unterscheiden. Diese zwei Dinge scheinen der AfD, dem Balken-vorm-Kopf-Lutz und deren Anhänger nicht klar zu sein. Aber der Reihe nach.

Der Islam ist nicht bloß eine Religion, sondern hat auch sehr wohl den Anspruch eine Gesellschaft zu prägen. Ein gewisser ideologischer Grad ist dem Islam nicht abzusprechen. Die Scharia ist ein Recht, welches gesellschaftlich angewandt werden soll. Es soll sowohl über den Einzelnen wie auch über Politik, die Justiz, schlicht über die Allgemeinheit bestimmen. In seinem ideologischen und gesellschaftlichem Anspruch ist der Islam in der Tat unvereinbar mit einem säkularem Staat.

Achtung! Alles, was jetzt folgt geht über den Horizont eines typischen AfD-Anhängers hinaus. Denn obgleich der Islam in einer Dimension die Gesellschaft prägen will, ist es auf der anderen Seite eine Religion. Und zwar eine in der mehrheitlich, wie auch in der Bibel, ein vorbildliches Menschenbild gezeichnet wird. Eine wahre Religion des Friedens, in der zentrale Motive Nächstenliebe und Respekt füreinander sind. Diese Religion wird von vielen Menschen gelebt. Viele Deutsche sind Anhänger des Islam und praktizieren diese Religion. Mit ihnen, den muslimischen Deutschen, ist auch der Islam Teil von Deutschland. Dabei spielt es keinerlei Rolle, ob das früher anders war, ob wir mehrheitlich christlich geprägt sind oder ob man es toll findet oder ganz doof.

Mit den deutschen Staatsangehörigen, die an den Islam glauben, ist deren Religion auch ein Teil ihres, unseres Landes. Ein „Wir“ und ein „Die“ existiert nicht, denn sie sind Teil von uns. Das ist eine Realität, die unabhängig vom eigenen Gefallen besteht. Es ist demnach eine belanglose Diskussion. Ob jemand der Meinung ist, dass der Islam kein Teil von Deutschland ist und diesen starren, schon fast fanatischen Glauben an ein Mono-religiöses Land behalten will, ist komplett irrelevant, denn die Realität besteht unabhängig davon fort. Vielmehr macht der unabänderliche Glaube an ein rein christliches Deutschland den Eindruck einer sehr merkwürdigen Religion. Ob denen das bewusst ist?

Ein letzter wichtiger Punkt ist folgender. Religion ist Religion. Mensch ist Mensch. Ein Mensch kann an eine Religion glauben, aber er ist und bleibt ein Mensch. Deshalb darf man unter keinen Umständen von einer so oberflächliche Sache wie Relgion auf den dahinter stehenden Gläubigen schließen. Wer weiß schon, was jemand anderes denkt, was die anderen Leute so umtreibt, wie sehr man sich woran hält, welche Grundsätze man aus einer Religion für sich aufnimmt und welche Grundsätze durch „How I met your Mother“ geprägt werden. Jeder Mensch ist individuell und hat es verdient auch als Individuum, unabhängig von Staatsangehörigkeit, Religion oder Sprache, behandelt zu werden. Genau das wird von den Rechtspopulisten auf erbärmlichste Art und Weise ignoriert.

Von Storch beispielweise sieht in dem Islam bloß eine Ideologie. Sie ignoriert, verschweigt oder weiß nichts von den verschiedenen Dimensionen des Islam. Was sie und ihre Anhänger so gefährlich macht: Sie unterscheidet ebenso wenig zwischen Religion und Gläubigem. Ginge es nach ihr, müssten vermutlich alle Muslime Deutschland verlassen. Solche einfachen Gedanken, die eine sehr viel komplexere Realität verdrängen (Kennt man ja!), führen an einen Ort, an dem niemand glücklich werden kann. Menschen wie sie sind die wahre Gefahr für den Frieden. Denn sie entmenschlichen Gläubige. Sie sehen nicht das Individuum, sondern in diesem Falle nur den Muslim. So legt man Feuer in den Köpfen wenig feingeistiger Leute. Denen soll gesagt sein: Ein Muslim ist jemand, der an irgendwas übernatürliches glaubt. Ein Christ ist jemand, der an irgendwas übernatürliches glaubt. Jeder glaubt doch irgendwelche komischen Dinge, das soll man Menschen verzeihen können. Eine Identität ist es nicht.