Ein trauriger Zustand

Ende September waren die Bundestagswahlen. Nicht mehr lang bis Weihnachten und noch immer sind wir einer Regierung kaum näher als direkt nach den Wahlen. Ich halte das für einen ungewöhnlichen und unwürdigen Zustand. Nicht, dass ich nicht auch Verständnis habe für äußerst schwierige Situationen, in denen sich die einzelnen Parteien befinden. Aber irgendwie drängt sich mir das Gefühl auf, dass die Parteien ihre Rolle innerhalb der Demokratie in Deutschland verloren haben.

Denn in der flapsigen Haltung a la „Neuwahlen wären kein Problem.“ oder „Wir warten ab bis die anderen sich bewegen“, offenbart sich ein Bildnis, dass ich für bedenklich halte. Denn es stellt die Parteien und Politiker und nicht die Entscheider, die Wähler, in den Mittelpunkt. Jene wählen und ergeben den Auftrag an die gewählten Parteien eine Regierung zu bilden. Ein Auftrag, der in seiner Dringlichkeit momentan nicht von allen Parteien hinreichend ernst genommen wird.

Eine Enttäuschung darüber kann ich nicht mehr wirklich verbergen. Die FDP hat Angst vor der eigenen Courage und tut so als wisse sie nicht, was ein Kompromiss ist. Die CDU agiert in einer Art eines Siegers und vergisst die signifikanten Verluste. Die Grünen sonnen sich in der angenehmen Situation nicht Schuld zu sein.

Nur die SPD kann ich einigermaßen verstehen. Sie ist in einem fast chaotischen Zustand, alle suchen noch den eigenen Platz. Doch trotzdem kommt ihnen von den anderen die Aufgabe zu, das sich abzeichnende Drama noch in eine Dramödie zu retten. In etwa so als würde man vom Abiturienten verlangen, der sich in seinem Work and Travel Jahr in Australien über seine Zukunft Gedanken machen will, VW durch die Abgaskrise zu führen. Er wäre mit dieser Aufgabe ähnlich überfordert, wie es die SPD in einer neuen GroKo wäre.

Politikverdruss entsteht unter anderem aus dem Gefühl überhaupt keinen Einfluss zu haben. Was wäre es für ein Zeichen, wenn es trotz eindeutiger Abwahl der GroKo nun doch zur GroKo kommt, weil es nicht eine einzige Alternative gibt. Und was wäre es für ein Zeichen, wenn die Politiker sagen „Was ihr gewählt habt, schränkt uns in unseren Plänen zu sehr ein, wählt gefälligst nochmal.“? Weder GroKo noch Neuwahlen sollten wirklich Optionen sein. Doch realistisch betrachtet sind es die einzigen Möglichkeiten. Auch in mir löst das einen Verdruss aus.

„Religionskritik“

Bombenfund am Weihnachtsmarkt und das Internet glüht. Hasstiraden quellen aus Kommentarspalten hervor und machen sie einem unwirtlichen Ort.

Wieder einmal bewahrheitet sich, dass man eine Situation nicht bewerten sollte, noch bevor man überhaupt Näheres weiß. Wie sich die Leute die Finger wund geschrieben haben und sich in „Religionskritik“ übten. Dabei geht es hier nicht um den Glauben an einen Gott, sondern um den Glauben an das göttliche Geld. Denn es handelt sich um einen Erpressungsversuch.

Die Vermutung liegt allerdings nahe, dass die ohne Kenntnis Schreibenden gerne und willentlich in Kauf nehmen ohne Kenntnis zu schreiben. Es geht schließlich darum, das eigene Weltbild zu untermauern. Dass sie es tun und immer wieder tun werden, soll nicht entmutigen. Denn am Ende sind jene unbedeutend, solange nur weiterhin genug Menschen an Ausgewogenheit und Erkenntnis als Grundlage der Diskussion und des Denkens glauben.