Ein Tanz auf der Klinge

Es ist so verdammt schade. Aber die ganze Diskussion um Flüchtlinge scheint zu scheitern. Das liegt nicht an Frau Merkel, nicht an den Flüchtlingen und auch nicht an Björn (Bernd) Höcke. Nein. Ganz allein an den Menschen, die unfähig sind konzentriert und sachlich zu reden. Und an jenen, die sich von zu vielen Verallgemeinerungen und Relativierungen verschrecken lassen, sodass sie davor in eigene Pauschalisierungen zu flüchten versuchen.

Zugegebener Maßen ist es nicht immer ganz einfach sachlich zu bleiben, insbesondere, wenn man persönlich angegriffen wird. Aber Monster kann man nicht bekämpfen, wenn man durch den Kampf selbst zu einem wird. Die Anzahl an Monstern wird nicht geringer.
Doch geht es nicht eigentlich darum? Die Anzahl der Monster zu verringern? Oder geht es nur darum eine bestimmte Sache zu beseitigen, um dabei die Entstehung eines anderen Übels billigend in Kauf zu nehmen.
Differenzierung ist kompliziert. Da gibt es die Sache mit den Flüchtlingen. Sind ja nicht alle gleich, kommen alle woanders her und haben andere Hintergründe. Es scheitert leider zumeist schon da. Vor allem bei all jenen, die nicht verstehen, dass Rassismus nicht die neue Mitte ist. Gibt es Kriminalität unter Flüchtlingen? Erstaunlicher Weise ja. Wer hätte das gedacht. Und sei nur einer unter 100 kriminell, so spreche seine Tat für die 99. Ach, Unsinn!
Aber moment, Flüchtling nicht gleich Flüchtling. Wie soll man dieses Dilemma bloß lösen.

Nun ist es jedoch auch kein Privileg der Rechten jeder Form der Differenzierung aus dem Weg zu gehen. Erst heute wurde ich „Pegida Affe“ genannt, weil ich einen Relativierungsversuch der RAF kritisiert hatte. Betrüblich, aber es hilft mir zu verstehen.

Differenzierung ist wie ein Tanz auf einer Klinge. Man ist bestrebt herunterzuspringen. Dem komplizierten Leben in Selbstgeißelung ein Ende zu bereiten und sich dem Angriff auf die Wenigen hinzugeben, die sich auf der Klinge noch zu halten versuchen und auf den Rest der anderen Seite selbstverständlich.

Ich glaube das Problem liegt in dem Unverständnis entgegen dem Individuum. Dass jeder Mensch irgendwie doch einzigartig und eigenartig ist, in eigener Art anders als die Anderen. Und so muss man das Individuum im Menschen sehen. Jedem muss zugehört werden. Kritik muss immer erlaubt sein, sofern sie sachlich ist. Diese Sachlichkeit hat sich verabschiedet, die Fronten sind verhärtet. Auch weil viele das Differenzieren, nicht verlernt, aber willentlich aufgegeben haben.

Das Prinzip Eigenverantwortung

Der Mensch ist ein wirklich bequemes Wesen. Er nimmt sich selbst wichtig, seinem Verantwortungsgefühl sind jedoch enge Grenzen gesetzt. Ich verzweifle. Nicht nur, weil ich mich in diesem schändlichen Dasein selbst ein wenig erkenne, auch weil ich so nicht sein will. Immer sind die anderen schuld. Niemals man selbst.

Der Welt geht es schlecht, einem großen Teil des Menschheit ebenso. Die Meere vermüllen, Wälder werden unwiederbringlich gerodet, am Tag (!) sterben noch immer ungefähr 30.000 Kinder an den direkten oder indirekten Folgen von Unterernährung, jeden Tag sterben um die 140, teils noch unerforschte, Tierarten aus. Es ist ein Jammer. Über die Gründe, warum dies so ist, habe ich mir schon oft den Kopf zerbrochen. Der Mensch ist nicht konsequent, er ist ein inkonsequenter Denker. Einer, der es sich allzu gerne leicht macht. Ganz ohne Zweifel gibt es viele Menschen mit gutem Willen. Und noch weitaus mehr, so müsste man nach öffentlicher Darstellungen vermuten können, sind wahre Helden. Mitfühlende, quer denkende, pfiffige Geister, die Tradition der Dichter und Denker wird beibehalten. Unsinn! Immer wieder wird die „Wahrheit“ gesprochen. Sie wird an einem einzigen Tag so oft umgedeutet und missbraucht, dass ich mir die Wahrheit ganz knitterig vorstelle. Wäre ein Bruchteil auch nur halb so klug, wie diese sich selbst empfinden, dann ginge es der Welt nicht so schlecht. Der Zustand unserer Welt sollte uns demütig machen, denn er ist der Spiegel unseres Wirkens. Er ist der Beweis für unsere Unzulänglichkeiten und der Gegensprech für all jene, die sich überlegen fühlen.

Was uns alle vereint ist die Ablehnung der Eigenverantwortlichkeit. Diese ist keineswegs unkonventionell oder quer gedacht. Sie ist ein Ursprung des Übels. Schuld sind zumeist die Reichen und die Mächtigen. Sie lassen Wälder roden, sie korrumpieren an der Regierung eines Dritte-Welt-Landes die so dringend benötigten Entwicklungsgelder, sie betrügen den kleinen Mann, sie hintergehen ihr Volk. Politiker, Konzerne. Und gewiss haben zumeist diejenigen zuviel Macht, die sie nicht haben sollten. Dennoch entbindet uns das nicht von der eigenen Verantwortung und befreit uns auch nicht von unseren Möglichkeiten. Denn in Wahrheit ist der kleine Mann der große Mensch. Er entscheidet. Darüber, was er tun und wen er unterstützen will. Schuld am Unheil der Welt bin ich, nicht irgendwer anderes. Ich allein.

Die Feststellung, dass andere viel mehr zum Verfall der Welt beitragen, als man selbst, ist absolut nutzlos. Der eigene Einflussbereich wird dadurch nicht geschmälert. Jeder hat Macht. Die eigene Verantwortung dabei auf jemandem abzuladen, der seiner Verantwortung nicht nachkommt, ist nur eine Ausflucht in das aktive Ausblenden. Wer, wenn nicht ich selbst, kann meinem Dasein zu einer positiven Wirkung verhelfen.