Keine Erhöhung der Rundfunkgebühren – Gut so!

Was war das bloß für ein Hickhack in Sachsen-Anhalt. Gestritten wurde; erbittert und mit allen Mitteln der politischen Einflussnahme. Es ging dabei um die Erhöhung der Gebühren für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Während die CDU in Sachsen-Anhalt früh signalisierte einer Erhöhung nicht zustimmen zu wollen, dachten doch viele, inklusive mir, dass sie eigentlich nur Formsache ist. Falsch gedacht! In letzter Konsequenz lässt Ministerpräsident Reiner Haseloff das Parlament nicht über eine Erhöhung abstimmen, weil eine solche Abstimmung keine Chance gehabt hätte durchzukommen. Nun herrscht allseits ungläubiges Staunen.

Die Entscheidung ist so unerwartet wie sie richtig ist. Nicht, weil öffentlich-rechtlicher Rundfunk nicht elementar wäre. Das ist er und das wird er auch immer bleiben. Medien, die unabhängig von finanziellen Zwängen operieren und deshalb auch weniger schnell gekauft, bestochen oder vereinnahmt werden können, sind ein wichtiger Pfeiler von Demokratien. Nicht umsonst gibt es öffentlich-rechtlichen Rundfunk in nahezu allen demokratischen Staaten. An der grundsätzlichen Notwendigkeit darf es keinen Zweifel geben und niemals sollte darüber diskutiert werden ihn abzuschaffen. Nur Demokratiefeinde würden so etwas tun.

Öffentliches Interesse an einer breiten Diskussion

Sehr wohl aber dürfen die Rahmenbedingungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks diskutiert werden. Denn wie alles in einer Demokratie ständig im Wandel ist und sich stetig verändern und verbessern muss, so ist auch ewiges Wachstum ohne grundsätzliche Diskussion über die Ausgestaltung und Verbesserung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks keine Lösung. Genau das aber stand jetzt zur Debatte. Reines Wachstum ohne genau Erklärung, wofür die rund 400 Millionen Euro nun genau gebraucht werden und kein Wort darüber, wie man die eigene Kosteneffizienz verbessern will. In jedem Unternehmen gehört eine Kostenanalyse zum Standard. Warum ich das auch in diesem Fall für angebracht halte? Ganz einfach, weil ein öffentliches Interesse besteht. Nicht nur, weil es um das private Geld der Bürger geht, sondern eben auch Programm für die Bürger produziert wird. Öffentliches Interesse macht eine breite öffentliche Diskussion notwendig. Darauf zielte der Versuch einer Erhöhung jedoch nicht ab.

Nun aber wird eine Diskussion unausweichlich sein. Es gibt gut begründete Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der ernst genommen werden sollte. Zunächst einmal ist die Finanzierung bereits üppig. Deutschland leistet sich einen Rundfunk, der zu den teuersten der Welt gehört. Zur Relation: Mit jährlich ca. 8 Milliarden Euro übersteigt der Rundfunk den Staatshaushalt einiger europäischer Länder und in zwei Jahren nimmt er mehr ein als in den letzten 28 Jahren in die weltweite Forschung an Energieproblemen investiert wurde. Zugegeben, etwas plakative Vergleiche, aber sie machen klar, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk keineswegs am Hungertuch nagt.

Weltbeste Finanzierung – Weltbeste Unterhaltung?

Was mich zum nächsten Punkt führt. Wir sind weltweit führend bei der Finanzierung, also darf der Bürger auch den weltbesten Rundfunk erwarten. Also den besten Journalismus, die beste Berichterstattung, die besten Filmproduktionen, die beste Unterhaltung. Man mag diesen Anspruch als ungerechtfertigt hart betrachten, aber hierbei handelt es sich um einen allgemeingültigen Standard. Jeder Arbeitnehmer weiß, dass mit einem hohen Lohn auch eine hohe Erwartungshaltung einher geht. Warum sollte das hierbei anders sein?

Zwar kann man trefflich über Qualität diskutieren: Aber wenn wir uns über Unterhaltung (macht den größten Teil der Kosten aus), über Filme und Serien also, dann kommt man beispielsweise nicht umher in der Masse mangelnde Qualität zu erkennen. Seichte und teure Massenware, so austauschbar wie oberflächlich. Kein Vergleich beispielsweise mit Produktionen der britischen BBC oder des viel kleineren schwedischen SVT. Ganz ab vom eigentlich Auftrag des ÖRR gäbe es zumindest in der Unterhaltungssparte viel Potential zur Kostenoptimierung. Denn das Verhältnis von Finanzierung und Outcome ist eklatant schlecht.

Mehr Geld in der Krise?

Allein deshalb schon ist es eine Notwendigkeit die Erhöhung der Gebühren genau zu erläutern und zu begründen. Was man nämlich bei dieser Diskussion nicht aus den Augen verlieren darf: Deutschland befindet sich in einer der größten Krisen der letzten Dekaden. Sehr viele Menschen bangen nicht nur um die Gesundheit der Lieben, sondern auch um ihre finanzielle Zukunft. Sie verlieren Jobs, geben Selbstständigkeiten auf und wissen nicht mehr weiter. Es ist vollkommen gut und richtig, dass die Mitarbeiter der ÖRR sichere Jobs haben und sich nicht sorgen müssen. Aber der vielfach an die Kritiker artikulierte Vorwurf (unter anderem von Georg Restle), es handele sich doch schließlich nur um popelige 86 Cent, wirkt in Anbetracht der dramatischen Situation irgendwie weltfremd. Abgehoben. Als würde man eine andere Realität erleben. Wenn man darüber nachdenkt, kommt unweigerlich die Frage auf, ob Menschen, die die derzeitige Lebenswirklichkeit so wenig erfassen und verstehen, wirklich auch den weltbesten Journalismus betreiben können.

Wenngleich es bei den ÖRR natürlich viele ganz hervorragende Journalisten gibt, denen absolut das Prädikat Weltklasse zuzuschreiben ist, so sind einige doch sehr der Realität entrückt. Vor der Entscheidung Haseloffs sagte der Intendant Dr. Thomas Bellut folgendes:

„Das Verfahren der Festlegung des Beitrags ist von allen Ländern beschlossen worden, auch von Sachsen-Anhalt. Und das soll die Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Anstalten sicherstellen, insbesondere auch in der politischen Berichterstattung.“

Was genau soll diese Aussage bezwecken? Natürlich ist die Unabhängigkeit der politischen Berichterstattung auch mit den derzeitigen Mitteln möglich. Es ist völlig unerheblich, ob man 8 oder 8,4 Milliarden zur Verfügung hat. An der grundsätzlichen Unabhängigkeit darf doch in keinem Fall gezweifelt werden. Eine Begründung, was die Erhöhung der Rundfunkgebühren mit der Unabhängigkeit der politischen Berichterstattung zu tun hat, bleibt aus. Ganz einfach, weil es keine geben kann. Eine der Realität entrückte Aussage, die ziellos durch die Köpfe schwirrt. Daran störe ich mich. Man kann diese Aussage eigentlich überhaupt nicht ernst nehmen. Einen Intendanten, den man nicht ernst nehmen kann und der einseitig und unausgewogen Stimmung macht? Ein trauriger Gedanke.

Falsche Zeit – Richtige Debatte

Es gibt also durchaus einiges aufzuarbeiten und zu diskutieren. Was ist noch zeitgemäß? Wieviel soll prozentual für Unterhaltung ausgegeben werden? Wie kann der ÖRR seinem Auftrag am besten nachgehen? Diese Diskussion sollte nun eröffnet und alle sollten sich beteiligen dürfen. Der weltbeste ÖRR würde sich vor dieser Debatte nicht scheuen, sondern versuchen eine Diskussion zu ermöglichen auf dem höchst möglichen Niveau. Wenn er aus Selbsterhaltungstrieb weiterhin so einseitig argumentiert, beraubt er sich ein Stück weit seiner eigenen Legitimation.

Normalerweise wäre die Erhöhung wohl ohne viel Geschrei so durchgekommen. Aber es sind nun mal keine normalen Zeiten. Viele haben Zukunftsängste, sind in Zeitarbeit und sehen ihre Existenz bedroht. Das Drängen auf eine Erhöhung wirkt weltentfremdet und eigentlich, so denke ich es mir, sollte es keine Kluft geben zwischen den Bürgern und ihrem Rundfunk. Damit meine ich nicht, dass der ÖRR die gleichen Existenzsorgen haben sollte. Um es mit den Worten von der BR-Journalistin zu sagen, die ihrerseits in ihrem Tagesschaukommentar den Streik von ver.di kritisierte: All jene, die sich sorgen, die alles verlieren und vor den Trümmern ihrer Existenz stehen, sie leiden mehr unter Corona, als die Mitarbeiter des ÖRR oder des öffentlichen Dienstes, deren Jobs sicher sind und deren Zukunft nicht zur Diskussion steht. Deshalb schließe ich meinen Text mit einem Direktzitat von Kirsten Gierschick, das sich zwar auf den Streik von ver.di bezog, dessen Botschaft aber auch bei der Erhöhung der Rundfunkgebühren Gültigkeit besitzt.

„In einer Zeit, in der viele um ihre Gesundheit und den eigenen Arbeitsplatz bangen, ist das vor allem eins – unsolidarisch“

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